Der Knebel als Hebel
Von Reinhard Lauterbach
Wo Wolodimir Selenskij recht hat, hat er recht. Der neue Entwurf eines »Abkommens« mit den USA über die Ausbeutung ukrainischer Bodenschätze ist eine Unverschämtheit. Geschenke zurückzufordern und das mit Zinsen, das kennt man aus den übelsten Rosenkriegen; und niemanden, der solche Forderungen stellt, würde man im Privatleben über die eigene Türschwelle lassen. Entsprechend eindeutig sind die ersten Stellungnahmen aus der ukrainischen Politikszene: Der Vorschlag sei unannehmbar und nicht im Interesse der Ukraine.
Was die USA auf den 58 Seiten des Vertragsentwurfes an Kiew übermittelt haben, versklavt die Ukraine ökonomisch auf unabsehbare Zeit: Sie würde auf 50 Prozent aller Einnahmen aus dem Verkauf erschlossener und noch zu erschließender Rohstoffe verzichten müssen, bis die von den USA bezifferte Summe des angeblichen »Vorschusses« abgezahlt ist, und in der Zwischenzeit sogar noch vier Prozent jährlich Zinsen zahlen müssen. Die USA wollen sich sogar vorbehalten, ein Veto einzulegen, wenn die ukrainische Seite versuchen sollte, Rohstoffe an »strategische Rivalen« Washingtons zu verkaufen. Neu ist das nicht und auch nicht trumpspezifisch; schon vor einigen Jahren hatte die US-Regierung die Übernahme des Flugmotorenherstellers Motor-Sitsch durch ein chinesisches Unternehmen torpediert. Mit dem Entwurf wird die räuberische Natur des US-Imperialismus offenkundig. Und indirekt werden alle ukrainisch-patriotischen Narrative über die angebliche Ausbeutung des Landes durch Russland als Ammenmärchen entlarvt: Solche Konditionen hat Moskau der Ukraine weder vor noch nach 1991 jemals aufgezwungen oder dies auch nur versucht.
Das wirft die Frage auf, wie ernst die USA diesen Vorschlag tatsächlich meinen. Ist er vielleicht, wird in Kiew gerätselt, genau deshalb so unannehmbar formuliert, damit ihn Selenskij ablehnt und damit den USA einen Vorwand liefert, sich militärisch und ökonomisch von der Ukraine abzuwenden? Als einer geopolitischen Investition, die sich letztlich für die USA nicht rentiert hat. Das ist natürlich der Alptraum der ukrainischen Politik, denn sie wäre damit vollständig auf einen Unterstützer angewiesen, der hierfür zwar die bösen Absichten hat, aber zumindest kurzfristig nicht die Mittel.
Wenn Selenskij jetzt erklärt hat, die Ukraine werde auf gar keinen Fall etwas unterzeichnen, was ihren Beitrittsprozess zur EU negativ beeinflusse, dann versucht er, genau diese EU-Karte zu spielen: die letzte, die er noch hat. Den europäischen Kapitalen die Rohstoffe und die (im Lande verbliebenen) Arbeitskräfte der Ukraine anzubieten. Auch ihnen gegenüber würde er wenig zu verhandeln haben und nehmen müssen, was ihm geboten wird. Und es gibt keinen Anlass anzunehmen, dass die EU Kiew für seine schönen Augen irgend etwas schenkt. Die »Revolution der Würde«, als die sich der Euromaidan selbst feierte, endet da, wo sie enden muss: in würdeloser Bettelei.
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Und die wollen das tatsächlich, auch um den Preis von einer Million Millionen Euro Kriegsvorbereitungskosten! Das rechnet sich doch aber letztlich auch für Europa nicht! Die Ukraine war nicht, ist nicht und wird nicht ein EU- und NATO-Land! Doch speziell von der Leyen und Kallas wehren sich mit allen Kräften gegen diese Erkenntnis. Auf unsere Kosten! Und die der Völker der Ukraine!