Unbekanntes Wesen des Tages: Der Ostdeutsche
Von Michael Merz
Geht angesichts der technofaschistoiden Gleichschaltung beim großen Bruder, dem Ami, ein Perspektivwechsel im Establishment vonstatten? Erkennt der Westen noch an, dass in dem vor 35 Jahren kolonialisierten Teil des Landes der Horizont doch etwas weiter war als vom Ellenbogen bis zum Portemonnaie? Der Eindruck angesichts verstreuter Äußerungen rund um die Konferenz der Ostministerpräsidenten könnte sich aufdrängen. By the way – haben die West-MPs eigentlich auch ihre eigene? Brauchen sie nicht, die findet täglich in Hinterzimmern statt. Eher ist es so, dass jetzt, wo der Osten deindustrialisiert vor sich hin vegetiert, eine blau angestrichene braune Partei den letzten solidarischen Zusammenhalt unterwandert und die Bevölkerung auf dem Land froh sein kann, noch eine Bushaltestelle zu finden, die Oberossis auch mal sagen dürfen, was ihnen gegen den Strich geht.
Der Osten werde vom Rest der Deutschen abgegrenzt, gab zum Beispiel Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff bei den Medientagen in Leipzig zum besten. Der Literaturprofessor Dirk Oschmann sekundierte, immer noch würden Strategien gepflegt, die »den Osten diffamieren und ignorieren«. Und Dietmar Bartsch von Die Linke gibt zu Protokoll: »Ein Ostdeutscher oder eine Ostdeutsche muss ein zentrales Ministerium in der neuen Bundesregierung besetzen.« Guter Witz. Aber was die Beratungsfirma Cima jetzt rausgefunden hat, ist mit Potential behaftet, erinnert an den Zusammenhang von Atomkrieg und Kakerlake: Menschen aus dem Osten besuchen ihre Innenstädte wesentlich häufiger. Fast die Hälfte zieht es täglich, mindestens zwei- bis dreimal pro Woche, ins Stadtzentrum. Nur mal gucken, die schönen Fassaden und so. Videothek und Schlecker sind längst dicht, die Eckkneipe sowieso. Aber er streunt immer noch rum, der Ossi. Ist schon ’ne treue Seele.
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