Letzter Ausweg Babyklappe
Von Claudia Wrobel
In dieser Woche wurde die erste sogenannte Babyklappe in Tokio eingerichtet. In Deutschland gibt es seit genau 25 Jahren die Möglichkeit, ein Neugeborenes, das nicht behalten werden kann, anonym und sicher in einem Krankenhaus abzugeben. Begonnen hat es in Hamburg und Berlin, mittlerweile gibt es Babyklappen in mehr als 80 Städten. Seit 2014 ist neben Babyklappen und der anonymen Entbindung die Möglichkeit der vertraulichen Geburt hinzugekommen. Die Mutter gibt dann ihre Identität an, die sicher verwahrt wird, bis das Kind nach frühestens 16 Jahren die Möglichkeit hat, diese zu erfahren. Kosten kommen auf sie weder bei einer anonymen noch bei einer vertraulichen Geburt zu. Damit wurde einer anhaltenden Kritik Rechnung getragen, dass Kindern ihr Anrecht auf das Wissen um ihre Herkunft genommen werde.
Möglichkeiten zur anonymen Ablage von Säuglingen gibt es in Europa nachgewiesen etwa ab dem 12. Jahrhundert. Waren es früher vor allem Waisenhäuser oder Klöster, die sogenannte Drehläden hatten, in denen Kinder abgegeben werden konnten, hat es sich mittlerweile etabliert, diese an Kliniken oder andere Einrichtungen anzugliedern, in denen die sofortige medizinische Versorgung der Kinder gewährleistet werden kann. Getragen ist dieses Engagement vor allem von religiösen Motiven, Kinder zu retten, die ansonsten keine Überlebenschance hätten. Babyklappen sollen Aussetzungen oder sogar Tötungen von Säuglingen verhindern.
Die ersten Babyklappen in Deutschland wurden in christlichen Krankenhäusern etabliert, ebenso wie die kürzlich eröffnete in Japan. Faktisch hat sich die Zahl der Aussetzungen oder Tötungen von Neugeborenen seit Einführung der Babyklappen nach Angaben von Terre des Hommes allerdings kaum verändert. Die Kinderrechtsorganisation macht daher darauf aufmerksam, dass es vollkommen unterschiedliche Motive seien, die Menschen dazu veranlassen, ihr Kind in einer Babyklappe abzugeben oder es direkt nach der Geburt auszusetzen oder gar zu töten. Letzterem liege oft eine schwere psychosoziale Belastung zugrunde. Die Mütter seien nach einer Geburt, die sie alleine durchleben müssen, gar nicht in der Lage, so klar und fokussiert zu planen. Die Aussetzung oder Tötung des Säuglings passiere aus der akuten Überforderung nach einer – oftmals verborgenen oder sogar verdrängten – Schwangerschaft.
Eine positive Bilanz zieht die Bundesregierung durch die Einführung der vertraulichen Geburt. In einem Bericht über die Auswirkungen auf anonyme Formen der Kindesabgabe im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hielt das Forschungsunternehmen Interval im April 2024 fest: Zwischen Einführung 2014 und 2021 wurden mehr als 400 Kinder weniger anonym abgegeben, als nach Analyse der Zahlen der Vorjahre zu erwarten gewesen wäre. Befürworter der Babyklappen argumentieren trotz allem, dass sich das Engagement bereits lohne, wenn nur ein einziges Kind dadurch gerettet werden könne.
Ein Einwand, den Terre des Hommes nicht gelten lässt. Die Organisation kritisiert, dass es sich dabei vor allem um die Simulation einer guten Tat handele, da die Mütter, die eine Babyklappe in Anspruch nehmen, sich ansonsten um andere Wege der Adoption gekümmert hätten. Statt dessen werde nichts gegen die eigentlichen Ursachen von Kindesaussetzungen und -tötungen getan. Sie plädiert daher dafür, dass die vorhandenen Strukturen der Sozialarbeit besser auf den Schutz Schwangerer und ihren Wunsch nach Vertraulichkeit eingestellt sein müssten.
So bleibt nun beispielsweise abzuwarten, ob das Verbot der sogenannten Gehsteigbelästigung dazu führt, dass mehr Schwangere Hilfe in Anspruch nehmen. Unter Gehsteigbelästigung versteht man die gezielte Ansprache Hilfesuchender oder Proteste direkt vor oder in Sichtweite von Schwangerschaftskonfliktberatungen durch Fundamentalisten, die das Austragen einer Schwangerschaft unter allen Umständen zum Ziel haben und jegliche Form des Abbruchs verhindern wollen. Erst seit November vergangenen Jahres ist dies in Deutschland verboten.
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