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Aus: Ausgabe vom 28.02.2025, Seite 15 / Feminismus
Reproduktionsrecht

Medizinerin in Texas verurteilt

USA: Richterspruch mit Folgen für Unterstützung beim Schwangerschaftsabbruch
Von Alex Favalli
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Es ist das erste Urteil seiner Art und könnte in den USA Schule machen: Margaret Carpenter, eine New Yorker Ärztin, ist wegen der Verschreibung und Versendung eines Medikaments für den Schwangerschaftsabbruch verurteilt worden. Da eine ihrer ungewollt schwangeren Patientinnen in Texas wohnhaft ist – wo Abbrüche seit Aufhebung des bundesweiten Rechts auf Schwangerschaftsabbruch 2022 faktisch verboten sind –, hatte Ken Paxton, der Generalstaatsanwalt des Bundesstaats, im Dezember gegen die Medizinerin geklagt.

Ein Bezirksrichter verurteilte Carpenter nun am 13. Februar zu einer Geldstrafe von 100.000 US-Dollar. Am selben Tag lehnte die New Yorker Gouverneurin Kathy Hochul den Antrag des Gouverneurs von Louisiana, Jeff Landry, auf Auslieferung der Ärztin ab – auch dort ist Carpenter wegen der Verschreibung von Medikamenten an eine Schwangere angeklagt. In diesem Fall bestellte die Mutter einer betroffenen Minderjährigen die Tabletten, wie CNN diese Woche berichtete.

Richter Bryan Gantt erklärte in seiner Urteilsbegründung, dass Carpenter gegen texanisches Recht verstoßen habe, indem sie einen Schwangerschaftsabbruch ermöglichte und somit »das Leben eines ungeborenen Kindes beendete«. Befürworter des Urteils vergleichen Carpenters Handeln mit dem postalischen Versand von Substanzen wie dem synthetischen Opioid Fentanyl. Gantt erließ eine dauerhafte einstweilige Verfügung, die es Carpenter untersagt, in Texas lebenden Menschen »abtreibungsfördernde Medikamente« zu verschreiben. Ein Verstoß gegen eine einstweilige Verfügung kann zusätzliche Strafen nach sich ziehen, darunter auch Gefängnisstrafen.

Neben ihrer Tätigkeit als Ärztin ist Carpenter außerdem Mitbegründerin der Abortion Coalition for Telemedicine, einer Gruppe, die medizinischem Fachpersonal seit 2022 dabei hilft, rechtliche und behördliche Hürden zu überwinden, damit sie Medikamente für Schwangerschaftsabbrüche landesweit anbieten können. Unterstützt wird das mit sogenannten Shield Laws (Schutzgesetzen), die in den von den Demokraten kontrollierten Staaten, in denen der Abbruch weiterhin legal ist, erlassen wurden. Zur Urteilsverkündung erschien die Medizinerin nicht vor Gericht.

Der Fall könnte sich zu einem langwierigen Rechtsstreit entwickeln, der möglicherweise vor dem Obersten Gerichtshof der USA enden wird. Das Gesetz in New York schützt Ärzte grundsätzlich vor Klagen aus anderen Bundesstaaten. Das Urteil wirft also auch andere Fragen der Rechtmäßigkeit auf: Ist ein texanischer Richter überhaupt befugt, den Fall zu verhandeln? Und welches Recht kommt letztlich zur Anwendung – das des Bundesstaates New York oder das texanische?

»In diesem Fall hat ein Arzt aus einem anderen Bundesstaat gegen das Gesetz verstoßen und der Patientin schweren Schaden zugefügt«, behauptete Generalstaatsanwalt Paxton in einer schriftlichen Pressemitteilung. »Diese Ärztin verschrieb unerlaubt über Telemedizin abtreibungsfördernde Medikamente, was dazu führte, dass ihre Patientin mit schweren Komplikationen im Krankenhaus landete. In Texas legen wir Wert auf die Gesundheit und das Leben von Müttern und Babys, und deshalb dürfen Ärzte aus anderen Bundesstaaten den Einwohnern von Texas nicht illegal und auf gefährliche Weise abtreibungsfördernde Medikamente verschreiben.« Das sieht die 24jährige Texanerin anders: Das sei »Propaganda« und letztlich tue Carpenter das Richtige, wurde sie von CNN zitiert. »Ich bin stolz auf sie und ich bin sehr dankbar, dass es Frauen wie sie gibt.«

Gouverneurin Hochul bleibt ebenfalls kämpferisch: Staaten wie Texas könnten weiterhin wild entschlossen sein, »dieses radikale Verhalten fortzusetzen. Aber wir werden genauso wild entschlossen sein, sie zu stoppen«.

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