Kahlschlag im Wissenschaftsbetrieb
Von Wolfgang Pomrehn
Als am vergangenen Wochenende in rund 1.200 US-Städten Hunderttausende auf die Straße gingen, war eines der Themen der von der neuen Regierung unter Donald Trump eingeleitete Generalangriff auf Wissenschaften und Hochschulen. Mehrere Dutzend Demonstrationen und Kundgebungen wurden vor Niederlassungen der von Elon Musk geführten Unternehmen Tesla und Space X abgehalten. Musk hat für Trump in Ministerien, Forschungseinrichtungen und Bundesbehörden seit Januar bereits mehrere tausend Entlassungen angeordnet. Die Wut darüber ist weitverbreitet. Allein in New York nahmen nach Angaben der New York Post Zehntausende an den Aktionen teil. Unter dem Motto »Hands Off« (»Hände Weg«) richteten sie sich unter anderem auch gegen die meist unter entwürdigenden Bedingungen durchgeführten Abschiebungen und gegen die Streichung von Sozial- und Gesundheitsprojekten.
Betroffen von den Entlassungen sind unter anderem die NASA, die Behörde für Strahlensicherheit und die für Klimaforschung, Wettervorhersagen und ähnliches zuständige Nationale Behörde für Ozean und Atmosphäre (NOAA). Auch das Gesundheitsministerium muss reichlich Federn lassen. Der Radiosender NPR berichtete Ende letzter Woche, dass dort nahezu 25 Prozent der Beschäftigten entlassen werden. Zudem wurde das Ministerium angewiesen, die Mittel für Verträge mit Dritten um 35 Prozent zu kürzen. Betroffen sind Reinigungsunternehmen, Computerdienstleister, aber auch Anschaffungen für die medizinische Forschung. Der Sender zitiert den Verbraucherschützer Robert Steinbrook von der Organisation Public Citizen, der die Kürzungen »willkürlich und sinnlos« nennt.
Derweil stellte der Sender NBC einige der entlassenen Mitarbeiterinnen vor. Eine davon ist die Krankenschwester Jackie Griffith aus Nordtexas, deren Aufgabe darin bestand, für die Impfung von nicht krankenversicherten Kindern zu sorgen. Doch ihr Programm wurde Anfang April eingestellt, sie selbst auf die Straße gesetzt. Von einem Tag auf den anderen. Während die USA mehr als 900 Milliarden US-Dollar im Jahr für ihr Militär ausgeben, wurde ein Zwei-Milliarden-Dollar-Programm gestrichen, das Kinder aus armen Familien mit Impfstoffen versorgt.
Der Vorgang ist symptomatisch für die Wissenschaftsfeindlichkeit der neuen Regierung, die Folgen für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger haben wird. Beim Wetterdienst, der zur NOAA gehört, haben die Entlassungen inzwischen dazu geführt, dass einige Radiosondenaufstiege gestrichen werden mussten. Dabei handelt es sich um einen kleinen Satz von Messgeräten, von denen mehrmals täglich Tausende in alle Welt an Wetterballons aufsteigen, um Daten für die Vorhersagemodelle zu sammeln. Je mehr akkurate Daten, desto besser die Vorhersagen.
Zusätzlich zu den Entlassungen gibt es auch Überlegungen, den Wetterdienst zu privatisieren. Juan Delect-Barreto von der Union of Concerned Scientists nennt das Diebstahl am öffentlichen Eigentum. Die Mehrheit im Kongress erlaube es der Regierung, die Befugnisse des Parlaments an sich zu reißen, »und eine demokratische Minderheitsführung ist nicht bereit, ihre verbleibende Macht zu nutzen, um diese illegalen Aktionen zu verhindern«.
Anfang vergangener Woche haben sich zahlreiche Mitglieder verschiedener Wissenschaftsakademien mit einer flammenden Anklage an die US-Öffentlichkeit gewandt: »Die Regierung kürzt die Mittel für wissenschaftliche Einrichtungen, streicht Zuschüsse für Wissenschaftler sowie deren Labors und behindert die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit. Die Mittelkürzungen zwingen die Einrichtungen dazu, die Forschung (einschließlich der Erforschung neuer Behandlungsmethoden für Krankheiten) zu unterbrechen, Lehrkräfte zu entlassen und keine Doktoranden mehr aufzunehmen – die Grundlage für die nächste Generation von Wissenschaftlern.«
Die Trump-Regierung zeigt sich bisher von allen Protesten unbeeindruckt. Für Hochschulen und Forschende bleibt daher vorerst nur der Ausweg, sich von Bundesgeldern unabhängig zu machen, was vermutlich nicht allen gelingen kann.
Hintergrund:Geschichte neu schreiben
Das »Project 2025«, der dicke Wunschkatalog der extremen Rechten, den der neue US-Präsident vom Tag eins seiner Amtszeit an mit großem Eifer umsetzt, sieht auch das Umschreiben der US-amerikanischen Geschichte vor. Entsprechend gehörte zu den ersten Angriffszielen Trumps das Smithsonian Institut, das 21 Museen und 14 Forschungszentren unterhält und seit seiner Gründung vor 179 Jahren der Geschichte und Naturgeschichte der USA gewidmet ist. Die überwiegend aus Bundesmitteln finanzierte Institution, die unter anderem wichtige Beiträge zur Klimageschichte geliefert hat, soll per präsidialem Dekret von Ideen befreit werden, die »die bemerkenswerten Errungenschaften der USA unterminieren«. Unter anderem sollen »Ausstellungen oder Programme verboten« werden, »die amerikanische Werte in Frage stellen, Amerikaner entlang von Rassen spalten, oder Programme oder Ideologien fördern, die nicht mit den Bundesgesetzen oder der Bundespolitik übereinstimmen«. Unter anderem dürfen künftig in Ausstellungen »in keiner Weise Männer als Frauen anerkannt werden«, heißt es in einer von Trump Ende März unterschriebenen Verordnung mit dem bemerkenswerten Titel »Wiederherstellung von Wahrheit und Vernunft in der amerikanischen Geschichte«. Um das sicherzustellen, wird ein Beirat mit von der Regierung handverlesenen Mitgliedern eingerichtet. Ins Visier genommen werden unter anderem das Smithsonian Kunstmuseum und das Nationale Museum für Afroamerikanische Geschichte. Letzterem wird vorgeworfen, in einer Ausstellung festgestellt zu haben, dass »›harte Arbeit‹, ›Individualismus‹ und ›die Kernfamilie‹ Aspekte der ›weißen Kultur‹« seien. Auch möchte der neue Mann im Weißen Haus unterbinden, dass »Ansichten verbreitet« werden, »wonach Rasse nicht eine biologische Realität, sondern ein soziales Konstrukt ist«, wie es mit einer Ausstellung im Kunstmuseum geschehen sei. 2012 hatte eine wissenschaftliche Umfrage unter US-amerikanischen Anthropologen einen »Konsens« ermittelt, »dass es keine menschlichen biologischen Rassen gibt«.
Auf ein weiteres Beispiel von regierungsamtlichem Umschreiben der Geschichte wies am vergangenen Wochenende die Washington Post hin. Der National Park Service, der nicht nur die Nationalparks und -denkmäler verwaltet, sondern auch die Geschichte des Landes pflegen soll, hat auf seiner Webseite die Erwähnung der Sklaverei gelöscht und ein Porträt von Harriet Tubman entfernt, einer ehemaligen Sklavin, die zahlreichen anderen die Flucht in die Freiheit ermöglichte, im Bürgerkrieg auf den Seiten der Nordstaaten kämpfte und später eine prominente Vorkämpferin für das Frauenwahlrecht wurde. (wop)
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