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Aus: Ausgabe vom 10.04.2025, Seite 5 / Inland
Agrarpolitik

Saure Milch

Fusion zu größter Molkereigenossenschaft Europas deutet sich an. Bauernverband und Gewerkschaft warnen
Von Oliver Rast
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Frisch, aber halbfett auf den Tisch: Ein Megazusammenschluss droht auf dem Milchmarkt (Kopenhagen, 20.6.2022)

Es klingt nach einem mördermäßigen Coup: Die größte Molkerei Deutschlands und die größte Dänemarks wollen fusionieren, wollen »die leistungsstärkste Molkereigenossenschaft Europas« schaffen. Eine entsprechende Fusionsabsicht verkündeten das Deutsche Milchkontor (DMK) und Arla Foods am Dienstag.

Der Zusammenschluss würde mehr als 12.000 Landwirte betreffen. »Ziel ist es, eine gemeinsame Genossenschaft zu bilden, deren Pro-forma-Umsatz bei 19 Milliarden Euro liegt«, steht in der Pressemitteilung der beiden Molkereien. Ein Schritt, der die Milchwirtschaft künftig weiter voranbringen, eine hochwertige Milchproduktion fördern und Innovationen vorantreiben soll. Ferner wäre ein starker Milchpreis für die landwirtschaftlichen Eigentümer gesichert.

Eine bierbrauende Pommesnudelkuh also? Für alle? Mitnichten. Bauern- und Branchenverbände, aber auch die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) haben Zweifel, berechtigte Zweifel.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hält nichts von Megafusionen im Milchsektor. Grundsätzlich nicht. Weil: »Wir brauchen keine weltmarktorientierten Riesenkonzerne, sondern mehrere kleinere und regional ausgerichtete Molkereien«, so der AbL-Bundesgeschäftsführer und Milchbauer Bernd Schmitz am Dienstag in einer Stellungnahme.

Hinzu kommt: In der Kontroverse um die Vertragspflicht hätten sich zuallererst die großen Genossenschaftsmolkereien als Blockierer betätigt, vor Milchlieferung über Preise, Menge und Laufzeiten mit Erzeugern als Marktteilnehmern gleichberechtigt zu verhandeln. Stattdessen wollen sie am bisherigen Modell festhalten: Milchviehhalter liefern und erfahren Wochen später den Preis für ihre gelieferte Menge. Und dabei war Schmitz zufolge besonders das DMK »nur zu oft Schlusslicht, was die Auszahlungspreise für ihre Milchlieferanten im bundesweiten Durchschnitt betrifft.«

Ferner sieht der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) die Fusion kritisch. »Was hier als Vereinigung gemeinsamer Werte und Stärken verkauft wird, ist in Wahrheit eine Machtkonzentration, die den Wettbewerb um Rohmilch weiter einschränkt und die Abhängigkeit der Milchviehhalter von wenigen Großkonzernen verstärkt«, wurde der BDM-Vorsitzende Karsten Hansen am Dienstag in einem NDR-Beitrag zitiert.

Und überhaupt, was auffällt: Arla Foods ist mit einem Umsatz von 13,8 Milliarden Euro und einer verarbeiteten Milchmenge von 13,7 Milliarden Kilogramm ungleich gewichtiger als das DMK mit einem Umsatz von etwa fünf Milliarden Euro und einer Milchmenge von 5,3 Milliarden Kilogramm. Arla hat zirka 7.600, das DMK rund 4.600 Genossenschaftsmitglieder. Die Anschlussfrage ist folgerichtig: Was passiert nach der Fusion mit Standorten und Beschäftigten hierzulande?

Denn Arla betreibt ein Milchwerk in Upahl (Kreis Nordwestmecklenburg) und zwei weitere in Rheinland-Pfalz. Einen Standort in Dargun (Kreis Mecklenburgische Seenplatte) hatte Arla im vergangenen Jahr dichtgemacht. In Deutschland liefern 1.250 Genossenschaftsmitglieder ihre Milch an Arla, so das Unternehmen laut NDR. Die meisten DMK-Standorte liegen in Niedersachsen, weitere Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, NRW, Thüringen und Baden-Württemberg.

Finn Petersen, Landesbezirksvorsitzender der NGG Nord, erklärte am Dienstag in einer ersten Reaktion: »Jetzt kommt es darauf an, dass alle bestehenden und auch tariflich gesicherten Arbeitsplätze bei DMK und Arla Foods gesichert und Investitionen in die Modernisierung der Produktionsstandorte in Deutschland vorgenommen werden!« Das Ausrufezeichen ist richtig, zumal nach Firmenzusammenschlüssen oft Standortschließungen und Arbeitsplatzvernichtung folgen.

Wie geht es weiter? Die Vertreterversammlungen beider Genossenschaften müssen den Fusionsplänen zustimmen. Die sind für Mitte Juni geplant. Zudem müssen die Behörden das Megaprojekt genehmigen. Der Abschluss der Fusion ist für Ende 2025 geplant. Ein straffer Zeitplan, der bereits jetzt vielen Milchbauern sauer aufstößt.

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