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Aus: Ausgabe vom 11.04.2025, Seite 16 / Sport
Radsport

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Stolz des Ostens: Der Radsportler Olaf Ludwig wird 65
Von Thomas Behlert
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Woge der Aufmerksamkeit: Olaf Ludwig (M.) bei der Friedensfahrt 1986 in Karl-Marx-Stadt

Fragt man in Thüringen, und besonders in Gera nach den größten Sportlern des Landes, hört man zuverlässig zuerst den Namen Olaf Ludwig. Der Radsportler wurde am 13. April 1960 in der ehemaligen Bezirksstadt geboren, ist ein Kind des DDR-Sports. Über seine Vergangenheit sagt er: »Ich bereue nichts. Auch nicht meine Vergangenheit in der DDR, zu der ich stehe. Dem System habe ich meine Ausbildung, meine Förderung und meinen Aufstieg in die Weltspitze des Amateursports zu verdanken. (…) Entscheidend war für mich immer das Menschsein, der Umgang miteinander, die Hilfe untereinander, die Fürsorge des einen für den anderen.«

Als im Mai 1972 Gera zum Etappenort der Internationalen Friedensfahrt wird, die zwischen Warschau, Prag und Berlin verläuft, steht der zwölfjährige Maschinistensohn Olaf Ludwig an der Strecke und kann gar nicht genug bekommen von den Leistungen der Fahrer und dem Drumherum. Bald steigt er für die SG Dynamo Gera-Mitte aufs Rad, obwohl er auch im Fußball und in der Leichtathletik gute Leistungen zeigt. Wenige Jahre später gewinnt der junge Olaf verschiedene Juniorfahrten, stößt schließlich zur Juniorennationalmannschaft. Mit dieser gewinnt er u. a. mit Thomas Barth Juniorenmeistertitel in Havanna (1977) und Washington D. C. (1978).

Nach dem Sportlehrerstudium, ein Beruf, den er nie ausüben wird, nimmt Ludwig 1980 zum ersten Mal an der Friedensfahrt teil und gewinnt gleich die erste Etappe rund um Wrocław (Breslau). Später dann noch weitere Etappen, wie die Zieleinfahrt in Berlin und das Bergzeitfahren in Solenice. Noch im selben Jahr geht Ludwig bei den Olympischen Spielen in Moskau an den Start und holt mit Hans-Joachim Hartnick, Bernd Drogan und Falk Boden im Mannschaftszeitfahren die Silbermedaille. Nur ein Jahr später zeigt der Geraer den westdeutschen Radlern, wie man die Niedersachsen-Rundfahrt gewinnt und legt bei der anschließenden Friedensfahrt fünf Etappensiege nach, womit er in der Gesamtwertung auf den vierten Platz fährt.

1982 ist es endlich soweit: Olaf Ludwig gewinnt die Friedensfahrt, obwohl er nur nach dem Prolog das Gelbe Trikot trägt und es erst bei der vorletzten Etappe wieder überstreifen kann. Als der Thüringer nach der Kraftanstrengung merkt, wie begeistert die DDR Bürger von seinen Leistungen sind – mit Unmengen an Briefen und Karten bekunden sie ihre Freude –, fühlt er sich ihnen verpflichtet. In seiner Autobiographie »Höllenritt auf der Himmelsleiter« (1997) schreibt er: »Und doch hat mir diese Woge der Aufmerksamkeit viel Kraft gegeben. Der Vorsatz, die vielen Fans und Freunde in der Heimat nicht zu enttäuschen, hat mich bei allen Rennen als Rückhalt und Antrieb rund um den Globus verfolgt.« Es folgen noch viele Siege bei Auswahlrennen, 1983 gewinnt er die Tour de l’Avenir.

Bei den sogenannten Wettkämpfen der Freundschaft 1984, eine Art Ersatzolympia, da die sozialistischen Staaten die Spiele in Los Angeles boykottieren, belegt Ludwig nur Platz acht. Zwei Jahre später nehmen außer Finnland und Frankreich keine westlichen Länder an der Friedensfahrt teil, denn die soll nur zwei Wochen nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl in Kiew beginnen. Die DDR-Mannschaft muss auf Weisung antreten. Ludwig bleibt bei der Fahrt um Kiew Sieger, den die Medien nicht einen »strahlenden« nennen sollen.

Ab 1987 liefert sich Olaf Ludwig mit dem sowjetischen Sprinter Dschamolidin Abduschaparow bei vielen Rennen erbitterte Duelle. Mit der Zeit können sich die DDR-Fahrer aber auf den aggressiven Stil des Usbeken einstellen, der den Spitznamen »Terror von Taschkent« trägt. Bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul schöpft Ludwig sein ganzes Vermögen aus und landete im Straßenrennen vor den Bundesdeutschen Bernd Gröne und Christian Henn auf dem ersten Platz. Dafür gibt es den Vaterländischen Verdienstorden in Gold.

Kaum sind Mauer und DDR Geschichte, kann Olaf Ludwig noch einmal richtig Fahrt aufnehmen: Er wird Profi, unterschreibt beim niederländischen Team Panasonic Sportlife und zieht mit seiner Familie nach Valkenburg. Neue Siege lassen nicht lange auf sich warten, schon bei seinem ersten Profirennen, der Ruta del Sol 1990, gewinnt er die ersten beiden Etappen. Bei der Tour de France holt er ebenfalls einen Tagessieg und sogar das Grüne Trikot des besten Sprinters. 1992 beginnt sein besonderes Verhältnis zum Kopfsteinklassiker Paris–Roubaix: Den wird er nie gewinnen (1993: Dritter, 1994: Vierter), aber sein zweiter Platz verschafft ihm die Führung im Weltcup, die er nicht mehr hergibt. Auch das Amstel Gold Race kann er für sich entscheiden und sprintet bei der Abschlussetappe der Tour auf der Champs Élysées als erster ins Ziel. Ein Jahr später wechselt Olaf Ludwig zum Team Telekom, dem er sogleich zum ersten Etappensieg bei der Tour de France verhilft. Bei den Weltmeisterschaften der Profis belegt er den dritten Platz hinter Lance Armstrong und Miguel Indurain.

Doch danach ist die Luft raus, die Plazierungen werden schlechter. Bei den Olympischen Spielen in Atlanta radelt Ludwig nur als 16. durchs Ziel. Schließlich beendet er 1997 seine aktive Laufbahn.

Trotzdem blieb Olaf Ludwig dem Radsport erhalten. Er gründete das Unternehmen Olaf Ludwig Cycling GmbH, leitete einige Zeit das T-Mobile Team und übernahm verschiedene Funktionen beim Bund Deutscher Radfahrer und beim Weltradsportverband UCL. Mittlerweile lebt er wieder in seiner Heimatstadt Gera, die ihn 1995 zum Ehrenbürger gemacht hat, und veranstaltet Radwanderungen. Am 13. April wird er 65 Jahre alt. Wir gratulieren.

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