Einigkeit mit Abweichlern
Von Frederic Schnatterer
Der von US-Präsident Donald Trump geworfene Schatten reichte vergangene Woche mindestens bis ins rund 3.000 Kilometer entfernte Honduras. Beim in der dortigen Hauptstadt Tegucigalpa abgehaltenen Gipfel der Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten (Comunidad de Estados Latinoamericanos y Caribeños, CELAC) war die aggressive Außen- und Handelspolitik des großen Nachbarn eines der zentralen Themen. Auch die brutale Migrationspolitik, die sich in Massenabschiebungen, besonders lateinamerikanischer Staatsbürger, äußert, wird von einem Großteil der CELAC-Gemeinde als Bedrohung gesehen.
Auch deswegen betonten viele der Vertreter der 33 Mitgliedstaaten, unter denen sich auch elf Staats- und Regierungschefs befanden, die Region müsse vereint auftreten und weiter auf einen multilateralen Ansatz pochen. In der am Mittwoch angenommenen Abschlusserklärung des Gipfels heißt es, man lehne »die Auferlegung einseitiger, völkerrechtswidriger Zwangsmaßnahmen ab, einschließlich solcher, die den internationalen Handel beschränken«. Statt dessen setze die Gemeinschaft, der alle souveränen Staaten Amerikas mit Ausnahme der USA und Kanadas angehören, auf Frieden, Demokratie und Selbstbestimmung.
Xiomara Castro, Gastgeberin und Präsidentin von Honduras, hatte zuvor erklärt: »Großmächte wie die Vereinigten Staaten zeichnen ihre wirtschaftliche Landkarte neu, ohne sich zu fragen, welche Völker dabei auf der Strecke bleiben. Wir können nicht weiter getrennt voranschreiten, wenn die Welt ohne uns neu organisiert wird.« Weiter appellierte sie: »Der Traum von Einheit, von einem großen Vaterland, ist heute dringlicher denn je.« Castros kolumbianischer Amtskollege Gustavo Petro, der in Tegucigalpa für ein Jahr den CELAC-Vorsitz übernahm, sprach von »zwei Wegen«, zwischen denen sich die Länder der Welt entscheiden müssten: »Multilateralismus oder Einsamkeit.« In diesem Sinne warnte er davor, »in die Falle zu tappen, Probleme alleine lösen zu wollen«. Das Treffen in Honduras sei besonders bedeutend, da es »der erste Gipfel« sei, »seit in der Welt das Ziel ausgegeben wurde, den Multilateralismus zu zerstören«, fügte er hinzu.
Die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum betonte, »wir leben in einer Zeit tiefgreifender Veränderungen im Welthandel«. Deshalb sei »heute mehr denn je ein guter Zeitpunkt, um zu erkennen, dass Lateinamerika und die Karibik Einigkeit und Solidarität benötigen«. Der brasilianische Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva sagte: »Es ist unerlässlich, dass Lateinamerika und die Karibik ihren Platz in der sich abzeichnenden neuen Weltordnung selbst definieren.« Dafür sei einheitliches Auftreten nötig, denn »kein Land verfügt über die Voraussetzungen, um mit den USA auf Augenhöhe zu verhandeln«. »Daher muss der Multilateralismus die Grundlage unseres Handelns sein«, so Lula weiter.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die CELAC keineswegs so geeint sind, wie es die Äußerungen vermuten lassen. Von Rechten regierte und US-hörige Staaten befinden sich in der Region zwar in der Minderheit, verfügen allerdings durchaus über Gewicht. Das zeigte nicht zuletzt die Abstimmung über die Abschlusserklärung des Gipfels. Letztlich verweigerten drei Staaten ihre Zustimmung zu dem Text, der in seinen Formulierungen keineswegs radikal oder besonders weitreichend ist. Neben den Rechtsregierungen aus Argentinien und Paraguay, die bereits im Januar ein Sondertreffen zur Migrationspolitik von Trump hatten platzen lassen, verweigerte auch Nicaragua der Erklärung seine Unterschrift.
Das paraguayische Außenministerium beklagte im Anschluss, die Erklärung hätte nicht angenommen werden dürfen, da kein Konsens über ihren Inhalt gefunden worden war. Der Vertreter der Regierung von Santiago Peña habe »ausdrücklich erklärt, dass er mit dem Wortlaut der Abschlusserklärung nicht einverstanden ist«. Einen »ausreichenden Konsens«, auf den sich Gastgeberin Castro berufen hatte, existiere im internationalen Recht nicht, heißt es weiter. Auch die argentinische Regierung von Javier Milei forderte nach dem Gipfel »die Einhaltung des Konsensprinzips in der CELAC« und prangerte »die Verletzung der Verfahrensprinzipien« an. Die »Erklärung von Tegucigalpa« habe »keinerlei Gültigkeit und kann nicht als offizielles CELAC-Dokument betrachtet werden«, betonte das Außenministerium in Buenos Aires.
Während das »Nein« der Regierungen von Argentinien und Paraguay zur Abschlusserklärung insbesondere mit der darin enthaltenen Ablehnung von Trumps Sonderzöllen zusammenhängen dürfte, verhält es sich bei Nicaragua anders. Die Wirtschaft des zentralamerikanischen Landes leidet schon seit Jahren selbst unter der aggressiven Sanktionspolitik Washingtons. Der nicaraguanische Delegationsleiter, Außenminister Valdrack Jaentschke, gab für die Entscheidung Managuas im Anschluss als Grund an, dass die Erklärung nicht weit genug gehe und so »die Gründungsideale der CELAC diskreditiere«.
»Die Haltung einiger weniger Länder, die darauf abzielen, die Grundsätze, die Werte und die reiche Geschichte unserer CELAC zu beschneiden und zu verwässern, ist berüchtigt und beständig«, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung. An wen genau die Kritik gerichtet ist, ließ Jaentschke offen. Wieviel Gewicht die Staatengemeinschaft angesichts solcher Zerwürfnisse wirklich ausüben kann, bleibt fraglich.
Hintergrund: Zollkrieg gegen Lateinamerika
Normalerweise beschäftigen sich die CELAC-Staaten auf ihren Gipfeln eher weniger mit Wirtschaftsfragen. Dieses Mal jedoch wies Gastgeberin Xiomara Castro bereits zu Beginn darauf hin, dass dieser Gegenstand derzeit nicht ignoriert werden könne. So erklärte die Präsidentin von Honduras, die bis zum Gipfel den Vorsitz der Staatengemeinschaft innehatte: »Wir können diese historische Versammlung nicht verlassen, ohne über die Wirtschafts- und Weltordnung zu diskutieren, die uns die USA mit ihren Zollmaßnahmen und ihrer Migrationspolitik auferlegt haben.«
Dafür gab es gute Gründe. Während noch am Tag vor dem Gipfel die zweite Phase der US-Sonderzölle in Kraft getreten war, verkündete Donald Trump gleichzeitig mit dem Beginn des Treffens deren vorläufige Aussetzung. Trotzdem ist der überwiegende Teil der lateinamerikanischen Staaten weiter unter von zehnprozentigen Extrazöllen auf seine Exporte betroffen, die Trump am 2. April verkündet hatte. Venezolanische Exporte werden mit 15, solche aus Nicaragua mit 18 und die aus Guyana mit 38 Prozent belegt. Mexiko hingegen blieb von der Zollankündigung verschont, allerdings sind manche seiner Exporte bereits seit längerem von einer allgemeinen Zollabgabe in Höhe von 25 Prozent betroffen.
Insbesondere Mexiko, Kolumbien, Chile oder Peru verfügen über ein großes Handelsvolumen mit den USA, was ihre Volkswirtschaften besonders anfällig für derartige Zwangsmaßnahmen macht. Andere lateinamerikanische Staaten wie Bolivien, die nur wenig in die Vereinigten Staaten exportieren, dürften hingegen kaum direkte Auswirkungen spüren. Indirekt jedoch werden die Auswirkungen von Trumps Handelspolitik auch für sie spürbar werden. Bereits jetzt sind die weltweiten Rohstoffpreise gesunken, und auch Investitionen werden durch Trumps Handelspolitik unwahrscheinlicher. Leidtragende werden die besonders vulnerablen Teile der Bevölkerung sein, wenn etwa Sozialausgaben gekürzt werden. (fres)
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