Widerstand im einstigen Hinterhof
Von Volker Hermsdorf
Im einstigen Hinterhof der USA regt sich Widerstand. Auf dem 9. Gipfeltreffen der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC) in Honduras’ Hauptstadt Tegucigalpa rief der mexikanische Außenminister, Juan Ramón de la Fuente, am Dienstag (Ortszeit) angesichts des von US-Präsident Donald Trump angezettelten Handelskriegs zur regionalen Einigkeit auf. Zentrale Themen des am Mittwoch beendeten zweitägigen Treffens waren neben US-Zöllen die Massenabschiebungen von lateinamerikanischen Migranten sowie Trumps aggressive Politik etwa gegenüber Panama und Mexiko. Dem vor 15 Jahren gegründeten Bündnis mit einer Gesamtbevölkerung von 550 Millionen Menschen gehören außer den USA und Kanada alle Länder des Doppelkontinents an.
Drei Monate nach dem Amtsantritt des neuen Chefs im Weißen Haus stehe die Gemeinschaft vor der Herausforderung, eine »neue Phase des Respekts« für die von ihr repräsentierten 33 Staaten einzuleiten, erklärte Kolumbiens Präsident Gustavo Petro, der am Mittwoch den temporären Vorsitz von seiner honduranischen Amtskollegin Xiomara Castro übernahm. Um die Abhängigkeit von den USA spürbar zu verringern, müsste er als CELAC-Präsident möglichst viele Regierungen in der Region von einem gemeinsamen Kurs zur Diversifizierung ihrer Handelsbeziehungen überzeugen. Ob ihm das angesichts der sich als Trump-Anhänger bezeichnenden Staatschefs von Argentinien, El Salvador und Ecuador gelingt, ist jedoch offen. Erst im Januar hatte Xiomara Castro eine Sondersitzung zum Thema Migration und Abschiebungen absagen müssen, weil kein Konsens dazu erreicht wurde. Dennoch waren die Erwartungen an den Gipfel in Tegucigalpa hoch. Schließlich treffen Trumps wirtschaftspolitische Kamikazemaßnahmen auch die am stärksten mit Washington verbundenen Länder. Nach dem gescheiterten Versuch im Januar hatten dieses Mal elf Präsidenten, drei Premierminister und etwa 20 Außenminister ihre Teilnahme zugesagt.
Vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs hatten die Chefdiplomaten am Dienstag unter dem Motto »Vereint für die Patria Grande« Vorschläge erarbeitet, um ein »gemeinsames Vorgehen zur Bewältigung globaler Herausforderungen und zur Förderung der regionalen Integration« zu koordinieren. Als Themen seien dabei laut örtlichen Medien die wirtschaftliche Zusammenarbeit, der Klimawandel, die Energieversorgung sowie die Gesundheits- und Ernährungssicherheit herausgestellt worden. Der Außenminister des Gastgeberlandes Honduras, Eduardo Enrique Reina, äußerte sich zuversichtlich, dass die Mitgliedstaaten »unabhängig von den Regierungen und der Ideologie« gemeinsame Positionen finden würden. Sein Amtskollege de la Fuente aus Mexiko ergänzte, dass der derzeitige globale Kontext »ein Anreiz« zur regionalen Einigkeit gegenüber »jeder einseitigen Zwangsmaßnahme« sei. Lateinamerika sei die ungleichste Region der Welt, in der mindestens 180 Millionen Menschen nicht in der Lage seien, ihre Grundbedürfnisse zu decken, sagte er. Auch Uruguays Chefdiplomat Mario Lubetkin bezeichnete den »Kampf gegen Hunger und Armut, für den Umweltschutz und die Energiewende« als größte Herausforderungen.
Kubas Außenminister Bruno Rodríguez schlug darüber hinaus konzertierte Aktionen der CELAC vor, um die »Teilnahme und Führungsrolle der Region in multilateralen Foren und anderen Räumen« zu stärken. In diese Richtung zielt auch eine Initiative des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, der einen gemeinsamen Kandidaten der CELAC-Länder für den Posten des nächsten UN-Generalsekretärs vorschlägt, dessen Amtszeit am 1. Januar 2026 beginnt. Vom neuen Selbstbewusstsein des einstigen Hinterhofs könnte in wirtschaftlicher Hinsicht vor allem China profitieren, dessen Einfluss seit Gründung des China-CELAC-Forums am 17. Juli 2014 kontinuierlich zunimmt. Auch die EU kündigte – nach bislang drei Gipfeltreffen mit CELAC-Vertretern – an, bis 2027 rund 45 Milliarden Euro in Lateinamerika investieren zu wollen. Gute Voraussetzungen also für eine Diversifizierung der Handelsbeziehungen.
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