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Aus: Ausgabe vom 16.04.2025, Seite 5 / Inland
Sondervermögen für Militarisierung

Rüstung wirkt nicht

Schulden fürs Militär schlagen sich im Bruttoinlandsprodukt nieder, aber haben keinen positiven Effekt auf die Wirtschaftskraft. IMI gegen Ifo
Von Susanne Knütter
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Kein Zeitenwendehammer: Militarisierung ist eine Sackgasse

Auch diese Lüge gehört zur »Zeitenwende«: Rüstung sei gut für die Konjunktur, gut für die Wirtschaft, und das sei bekanntlich gut fürs Land. Kapitalnahe Wirtschaftsinstitute liefern dafür die entsprechenden Studien. So meldete das Münchner Ifo-Institut am Dienstag: »Die Bundesländer im Norden entkoppeln sich wegen der boomenden Rüstungsindustrie vom wirtschaftlichen Abwärtstrend in Deutschland.« Demnach wuchs das Bruttoinlandsprodukt im letzten Quartal 2024 nur in fünf der 16 Bundesländer im Vergleich zum Vorquartal.

Vor allem für die drei großen Bundesländer im Norden laufe es besser als in der übrigen Republik: Die Wirtschaftsleistung Niedersachsens wuchs mit 1,4 Prozent am stärksten, gefolgt von der Mecklenburg-Vorpommerns (plus 1,1 Prozent) und Schleswig-Holsteins (plus 1,0 Prozent). Auch die Hessens und Hamburgs konnten demnach leicht zulegen. Zentral sei der »Aufschwung in der Rüstungsindustrie«, sagte Ifo-Konjunkturexperte Robert Lehmann. In Hessen laufe es vor allem recht gut für die Finanz- und Unternehmensdienstleister.

In Wirklichkeit kommt die Rechnung auf ein anderes Ergebnis. »Wenn kurzfristig über Schulden riesige Beträge in irgendeinen Bereich der Wirtschaft gekübelt werden, hat das selbstverständlich Auswirkungen auf das BIP«, heißt es in einer am 8. April veröffentlichten Studie der Informationsstelle Militarisierung (IMI). Langfristig wirkten sich die Rüstungsausgaben aber keineswegs positiv aus. Im Gegenteil, nichtmilitärische öffentliche Ausgaben hätten einen positiveren Effekt auf Wirtschaft und Beschäftigung als solche für Waffenkäufe. Die IMI verweist auf Ländervergleichsstudien, wonach eine einprozentige Erhöhung der Militärausgaben über 20 Jahre zu einem Rückgang des Wirtschaftswachstums um neun Prozent führen würde.

Und Rüstungshardliner unter den Thinktanks verschweigen diese Realität auch nicht. Die IMI verweist auf die Bertelsmann-Stiftung und die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik. Deren Vertreter, Christian Mölling und Torben Schütz, schrieben im September bei capital.de offenherzig: »Aufrüstung ist teuer und unpopulär – daher verfallen einige Politiker auf eine neue Idee: Die Rüstungsmilliarden könnten eine Konjunkturspritze sein.« Aber unterm Strich sei »die Idee des Rüstungs-Keynesianismus ein gut gemeinter Versuch, sicherheitspolitisch notwendige Investitionen über Wohlstandseffekte zu vermitteln.« Bekanntermaßen sei Rüstung eine »vergleichsweise schlechte Investition, wenn es um die Förderung der Volkswirtschaft geht«. Ein Plädoyer gegen Aufrüstung ist es trotzdem nicht. Möllings und Schützs Fazit: »Auch wenn kein Cent der Milliarden in der deutschen Industrie hängenbliebe, dürften wir nicht aufhören zu investieren«.

Und weil nun mal besonders viel Geld fürs Militär lockergemacht wurde und auch ein relevanter Teil des Sondervermögens für Infrastruktur unter rein militärischen Gesichtspunkten eingesetzt werden wird, ist das Interesse an Rüstungsindustrie groß. So hat etwa der saarländische Landtag vergangene Woche Anträge von SPD und CDU zur Ansiedlung von weiteren Rüstungsunternehmen und -projekten debattiert. Die Verteidigungsindustrie sei eine riesige Chance, erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende Stephan Toscani laut Bericht des Saarländischen Rundfunks (SR) vom 10. April. Das Saarland könne damit die Sicherheit in Europa und gleichzeitig seine eigene Wirtschaftssituation verbessern.

Saarlands Wirtschaftsminister Jürgen Barke von der SPD erklärte im SR-Bericht, frühzeitig Einladungen an führende Rüstungsfirmen geschickt zu haben. Ministerpräsidentin Anke Rehlinger wolle bald einen Rüstungsgipfel starten. Die AfD-Fraktion forderte laut SR ein »Klinkenputzen« bei den Rüstungsunternehmen. Der Antrag der regierenden SPD mit dem Titel »Zivile und militärische Zeitenwende: Chance für die Diversifizierung der Wirtschaft und Schutz für Europa« wurde mit eigenen Stimmen angenommen.

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