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Aus: Ausgabe vom 16.04.2025, Seite 10 / Feuilleton
Kulturpolitik

Kitt und Kunst

Die Akademie der Künste in Berlin im Pakt mit der Liz-Mohn-Stiftung
Von Gisela Sonnenburg
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Lobbyismus beginnt in der Öffentlichkeit: Akademie der Künste

Es rauscht im Blätterwald. Die Bertelsmann-Eigentümerin (RTL, Penguin, BMG) und vormalige Telefonistin Liz Mohn gründete 2005 eine nach ihr benannte Stiftung. Deren jüngste Großtat: der »Relevanzmonitor Kultur«. Damit »die Politik« wisse, was sie »jetzt tun kann«. Ergebnis: Die Mehrheit der Bevölkerung finde Kultur wichtig.

Als Befehlsempfänger diente zunächst Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda, der zugleich Präsident des Deutschen Bühnenvereins sowie für ein Mandat im Bundestag in Berlin im Gespräch ist. Lobbyismus beginnt in der Öffentlichkeit. Eingeladen hatte vergangene Woche die Akademie der Künste in Berlin, der Titel der Veranstaltung sollte provozieren: »Kultur – der blinde Fleck der Politik?«

Mohn schickte eine Abgesandte. Die war mal Mezzosopranistin. Sie musste aber jetzt nicht singen. Der Publizist Michel Friedman begann einen Satz mit: »Wir als Gesellschaft und Eliten …« Das war eher peinlich. Der Präsident der Akademie – der Musiker, Performer und Lyriker Manos Tsangaris – und sein Stellvertreter, der Architekt Anh-Linh Ngo, rangen ohnehin um Fassung.

Merkwürdig stieß auf, dass die Diskutanten vor lauter Selbstbespiegelung nicht mehr wussten, was Kultur ist. Es fielen unwidersprochen Sätze wie »Kultur ist der Kitt, der uns zusammenhält« und »Kunstwerke sind Bollwerke der Demokratie«. Das ist natürlich Unsinn. Kultur gab es auch im Feudalismus. Sie erstreckt sich vom Opernhaus bis zum Klopapier. Kultur hält zudem nicht zwangsläufig zusammen, sondern regt Differenzierung an. Kultur macht Unterschiede. Und stellt die Qualitätsfrage.

Kunst wiederum geht vom Künstler aus. Der will der Gesellschaft was vermitteln. Nicht umgekehrt. Aber die Gehirnwäsche scheint umfassend. Der Generaldirektor der Staatsbibliothek zu Berlin, Achim Bonte, vermeldete stolz aus dem Publikum, es bereite ihm großen Kummer, dass Menschen aus Neukölln seine Bibliothek nicht genügend besuchten.

Dann gab es auf dem Podium noch den Theaterkritiker Peter Laudenbach, der in jedem zweiten Satz im Hetzton die AfD erwähnte. Es wurde beschwichtigend behauptet, dass sich keine AfD-Wähler im Saal befänden. Da war ich mir aber nicht so sicher.

Diese Gesellschaft hat Probleme. Eines ist, dass ihre Kulturmächtigen Kunst mit Propaganda verwechseln. So steht zu befürchten, dass der aus Paris eingeflogene Musiker Kioomars Musayyebi, der im lyrischen Folkloresound mit dem Hackbrett auftrat, vor allem wegen seiner politischen Dankbarkeit eingeladen worden war. Das hätte er nicht verdient.

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