Sorgenkind des Tages: Wein
Von Felix Bartels
Es war Neunzehnsechsundneunzig, die Freundin war weg und bräunt sich … Lassen wir den Scheiß. Drei Atzen stiefeln zum Weinbergsweg, auf dem schon seit dem vorvorletzten Jahrhundert kein Wein mehr gebaut wird. Deswegen mussten wir unsere Flasche selbst mitbringen. Nicht dabei hatten wir: einen Korkenzieher. Zwei in der Nähe biwakierende Japaner schritten hilfreich zur Tat, klopften die Flasche so lange aufs Gras, bis der Korken ploppte. Wir waren zufrieden. An uns würde das Überleben der Menschheit im Fall einer Zombieapokalypse nicht scheitern.
Später kamen die Schraubverschlüsse. Sagenhaft unmagisch, doch handfesten Grundes. Der globale Weinkonsum war derart gestiegen, dass die Baumrinde nicht mithalten konnte. Langsam, doch unwiderstehlich hatte der Wein die Welt erobert. Von Georgien aus zunächst das Mittelmeer, dann überschritt er Europas Dixon-Mason-Linie, die Kornbrauer von Traubenbrauern trennt, und mittlerweile guckt die ganze Welt regelmäßig zu tief ins Weinglas.
Doch der Untergang des Abendlandes droht auch hier. Produktion und Konsum von Wein sind im vergangenen Jahr weltweit auf den niedrigsten Stand seit Jahrzehnten gefallen, wie die Internationale Organisation für Rebe und Wein am Dienstag meldete. Der Konsum sank um 3,3 Prozent auf etwa 214 Millionen Hektoliter. Was den niedrigsten Stand seit 1961 markiert. Die Produktion sank um 4,8 Prozent auf 226 Millionen Hektoliter, den niedrigsten Stand seit mehr als 60 Jahren. Umgerechnet wurden 2024 nur 28,5 Milliarden Flaschen Wein geöffnet. Alarmierende Zahlen.
Der Gründe sind viele, klimabedingt unregelmäßiges Wetter zerschießt den Anbau, hohe Zölle treiben die Preise, die Jugend trinkt lieber Club-Mate, und Großimporteur China schwächelt. Gegen diesen globalen Trend müssen wir ankämpfen. Jeder nach seinen Fähigkeiten.
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