Soldaten gegen Gewerkschafter
Von Gerrit Hoekman
Die israelische Armee ist am 8. April in das Büro des Allgemeinen Palästinensischen Gewerkschaftsbundes (PGFTU) im besetzten Ostjerusalem eingedrungen. Die Soldaten zitierten Fausi Schaaban alias Abu Ghalib, den Sekretär der Abteilung in Ostjerusalem, herbei und nahmen ihn umgehend fest, als er in der Salachaddin-Straße eintraf. Auch andere Gewerkschafter sollen verhaftet worden sein. Das Büro der Organisation wurde geschlossen, berichtete Quds Press. Schaaban wurde offenbar in das israelische Haftzentrum Maskubiya in Jerusalem gebracht. Was ihm – abgesehen von seiner Arbeit in der Gewerkschaft – vorgeworfen wird, ist unbekannt.
»Dieser Schritt folgt einem wachsenden Trend, palästinensische Institutionen unter dem Deckmantel der Aufrechterhaltung der Ordnung oder der Verhinderung von ›Aufwiegelung‹ ins Visier zu nehmen«, kommentierte der US-amerikanische Journalist mit palästinensischen Wurzeln, Daoud Kuttab am 12. April in der in London beheimateten Tageszeitung The New Arab den Vorgang. Die palästinensische Handelskammer, der Palästinensische Gefangenenklub, das Palästinensische Zentrum für Sozialforschung oder nun das Büro der Gewerkschaft – seit vielen Jahren versuche Israel das politische und gesellschaftliche Leben der Palästinenser im besetzten Ostjerusalem systematisch zu kriminalisieren.
Das Hauptquartier der PGFTU befindet sich schon seit Jahrzehnten in Ostjerusalem und bietet Tausenden von Arbeiterinnen und Arbeitern Unterstützung. Die israelische Besatzungsmacht hatte Mitte März die Wahlen der palästinensischen Beschäftigten im Post- und Telekommunikationssektor in Ostjerusalem unterbunden. Dies sei ebenfalls Teil der systematischen Politik Israels, die darauf abziele, die Stadt von jeder wirksamen Gewerkschaftsvertretung abzuschneiden, so die Gewerkschaft in einer Stellungnahme.
Der Generalsekretär der PGFTU, Schahir Saad erklärte, die Schließung des Büros und Schaabans Festnahme seien nach allen internationalen Übereinkommen inakzeptabel. Die Arbeit von Gewerkschaften zu behindern, verstoße gegen die Gewerkschaftsfreiheit, die dem Schutz und der Wahrung der Beschäftigtenrechte diene. »Dies geschieht im Kontext (…) Institutionen zu verbieten, die mit der Palästinensischen Nationalbehörde und der Palästinensischen Befreiungsorganisation verbunden sind«, bewertete das Gouvernement Jerusalem, das zur Palästinensischen Nationalbehörde (PA) gehört, die Razzia im Gewerkschaftsbüro.
Nur drei Tage vor der Schließung des Büros hatten die Mitglieder der PGFTU ihren siebenten Gewerkschaftskongress abgehalten. »Die Konferenz rief dazu auf, Druck auszuüben, um Gesetze zu erlassen und zu aktualisieren, die Lohnabhängige vor willkürlicher Entlassung schützen und ihre Rechte auf angemessene Arbeitsbedingungen, faire Verträge sowie umfassende Kranken- und Sozialversicherung garantieren«, berichtete die PGFTU am 5. April auf ihrer arabischsprachigen Internetseite. Insgesamt müsse aber ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Beschäftigten und Unternehmen hergestellt werden, um die strategischen Partnerschaften zwischen beiden Seiten zu stärken. Gewerkschaftschef Schahir Saad hob die jüngsten Fortschritte hervor, etwa ein Mindestlohn, der rund 500 Euro im Monat betrage.
Der Kongress fand unter der Schirmherrschaft des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas statt. Die PGFTU ist historisch eng mit der Fatah verbunden, der dominierenden politischen Kraft in der Nationalbehörde. Dementsprechend nahmen zahlreiche Mitglieder des Exekutivkomitees der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und des Zentralkomitees der Fatah sowie Minister und Beamte am Kongress teil, darunter Arbeitsministerin Inas Al-Attari. Präsident Abbas blieb der Veranstaltung fern und ließ lediglich Grüße übermitteln. Er hoffe, dass der Kongress »die Einheit der Arbeiterbewegung stärken und die Lage unserer Arbeiter im Kampf gegen die Besatzer« verbessern werde, »die einen beispiellosen Vernichtungskrieg gegen unser Volk führen«, hieß es in seiner Botschaft.
Ob sich der Gewerkschafter Fausi Schaaban immer noch im Gefängnis befindet, ist unklar. Seit dem 8. April hat die Gewerkschaft auf ihrer Internetseite keine Nachrichten mehr veröffentlicht.
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