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Aus: Ausgabe vom 19.04.2025, Seite 1 / Titel
Ukraine-Krieg

Klare Ansage aus Moskau

Russland warnt: Deutschland bei Taurus-Lieferung Kriegsteilnehmer. Gespräche über Ukraine-Waffenstillstand in Paris ohne greifbares Ergebnis
Von Reinhard Lauterbach
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Jetzt wollen die Russen auch noch Friedrich Merz sein Kriegsspielzeug wegnehmen

Die Trump-Administration zielt offenbar darauf ab, den Ukraine-Krieg den »Europäern« zu überlassen. Gleichzeitig wird in der künftigen deutschen Koalition hinter den Kulissen weiter um eine Lieferung deutscher »Taurus«-Marschflugkörper an die Ukraine gestritten. Moskau warnte am Donnerstag vor einem »Taurus«-Einsatz.

SPD-Chef Lars Klingbeil wiederholte am Freitag die Forderung seiner Partei, die Entscheidung müsse einvernehmlich von der ganzen Koalition getroffen werden. Der designierte Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte am Sonntag erneut eine Lieferung befürwortet. Sein noch wenige Tage amtierender Vorgänger Olaf Scholz hatte dies abgelehnt, um zu vermeiden, dass die BRD zur aktiven Kriegspartei werde. Genau vor diesem Szenario warnte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Marija Sacharowa. Wenn aus Deutschland gelieferte »Taurus« gegen russische Ziele eingesetzt würden, bedeute das die direkte Kriegsbeteiligung der BRD.

Scholz begründete seine Ablehnung der »Taurus«-Lieferung auch damit, dass die Waffen ohne eine Zielprogrammierung durch deutsche Soldaten nicht einsetzbar seien. Ein Anfang 2023 abgehörtes Telefongespräch dreier deutscher Offiziere, damals ein Skandal, hatte den gleichen Inhalt. Wenn dieser Zusammenhang jetzt geleugnet wird, kann dies bedeuten, dass insgeheim bereits ukrainische Soldaten in der Programmierung der »Taurus«-Software ausgebildet worden sind. Das würde zu der Klingbeil-Äußerung passen, die BRD »müsse« größter militärischer Unterstützer der Ukraine in Europa bleiben.

US-Außenminister Marco Rubio verlautbarte nach einer Reihe von Gesprächen am Donnerstag in Paris, sein Land werde noch einige Tage abwarten, ob es zu einem Waffenstillstand komme. Wenn ja, seien die USA weiter zur »Hilfe« bereit. Wenn nein, würden sie sich »anderen Themen zuwenden«. An den Gesprächen in Paris nahmen Vertreter der USA, Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands und der Ukraine teil. Greifbare Ergebnisse wurden nicht mitgeteilt; die Verhandlungen sollen nach Ostern in London fortgesetzt werden. Der russische UN-Botschafter Wladimir Nebensja nannte es unrealistisch, einen raschen Waffenstillstand zu erwarten. Schon das 30tägige Moratorium für Angriffe auf Anlagen der Energiewirtschaft sei von der Ukraine nicht eingehalten worden. Die Ukraine wirft Russland dasselbe vor.

Frankreich hingegen bezeichnete allein das Stattfinden der Gespräche als großen Erfolg für »Europa«. Außenminister Jean-Noel Barrot sagte im Sender LCI, erstmals habe die Trump-Administration Abstand von der nur bilateralen Verhandlungsführung mit Russland genommen und wichtige Verbündete einbezogen. Die USA hätten verstanden, dass ein gerechter und nachhaltiger Frieden nur mit der Zustimmung und dem Beitrag der Europäer erreicht werden könne. Präsident Emmanuel Macron entwickelte diesen Gedanken weiter und sprach von den Pariser Gesprächen als »einer Chance zur Annäherung« – im Kontext: zwischen Washington und seinen europäischen Verbündeten.

Auf dem ukrainischen Kriegsschauplatz setzt Russland seine Angriffe auf ukrainische Städte fort. Am Donnerstag und Freitag schlugen Drohnen und ballistische Raketen in Dnipro, Sumi und Charkiw ein. Der folgenschwerste Angriff traf eine Hochhaussiedlung in Charkiw. Dort sind nach Angaben der Stadtverwaltung 88 Menschen verletzt worden. In Sumi wurde eine Fabrik für Backwaren zerstört. Von der Ukraine verbreitete Bilder zeigen herumliegende Backformen und Bäckerwerkzeug.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (18. April 2025 um 20:06 Uhr)
    »Die Trump-Administration zielt offenbar darauf ab, den Ukraine-Krieg den «Europäern» zu überlassen.« Hat das die Biden-Administration nicht auch schon getan, nur nicht so klar in Baerbock-Manier gesagt? Wo liegt der Unterschied? Das ist konsistent mit den Aussagen Rubios und Barrots: Die USA wenden sich anderen Themen zu und überlassen das Thema Ukraine der EU. Volle Annäherung zwischen USA und EU durch den Ausstieg der USA. Zum Eskalationspotenzial von Taurus-Lieferung will ich mich lieber nicht äußern. Ich will mir schließlich keine Beleidigungsklage von Merz einhandeln, bevor er Kanzler ist.

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