Todeszone Gaza
Von Gerrit Hoekman
Die Verhandlungen über einen Waffenstillstand im Gazastreifen werden anscheinend wiederaufgenommen. Israels Delegation ist offenbar bereits am Sonntag abend in der ägyptischen Hauptstadt Kairo eingetroffen, berichtete die katarische Zeitung Al-Arabi Al-Dschadid am Montag. Ob die Gespräche von Erfolg gekrönt werden, darf indes bezweifelt werden. Angeblich soll die israelische Regierung nur auf US-Druck hin bereit sein, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Erst am Sonnabend hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bekräftigt, er werde den Krieg erst beenden, wenn die Hamas vernichtet sei.
Von einem nicht namentlich genannten hohen palästinensischen Beamten erfuhr die BBC, die Hamas sei als Gegenleistung für einen endgültigen Waffenstillstand bereit, die Verwaltung Gazas an eine andere palästinensische Institution zu übergeben, die »auf nationaler und regionaler Ebene« festgelegt werden müsse. Das könnte entweder die von der Fatah dominierte Palästinensische Nationalbehörde (PA) mit Sitz in Ramallah oder eine neu zu schaffende Einrichtung sein. Einen ähnlichen Vorschlag bringt die Hamas schon seit einiger Zeit ins Spiel. Netanjahu schließt bis jetzt allerdings auch eine künftige Rolle der Autonomiebehörde bei der Verwaltung Gazas kategorisch aus.
Die Hamas bietet auch an, alle militärischen Operationen einzustellen, inklusive des Waffen- und Tunnelbaus. Einige in ihrer Führung sollen sogar bereit sein, alle Waffen in einem bewachten Depot aufzubewahren, berichtete Times of Israel unter Berufung auf einen arabischen Diplomaten. Der Vorschlag, den die beiden Vermittler Ägypten und Katar auf den Tisch legen wollen, scheint entsprechend ambitioniert. Der BBC-Quelle zufolge sieht dieser einen Waffenstillstand von fünf bis sieben Jahren, ein formelles Kriegsende, einen vollständigen Abzug der israelischen Armee und die Freilassung aller Personen, die sich noch in der Hand der Hamas befinden, vor.
Große Hoffnung sollte sich indes niemand machen. Denn in der israelischen Regierung geben Falken den Ton an. Laut Times of Israel sagte der extrem rechte Finanzminister Bezalel Smotrich am Montag, die Freilassung der Gefangenen sei zweitrangig. Wichtiger sei der totale Sieg über die Hamas. Eine andere Regierungspartei widerspricht vehement: Für die ultraorthodoxe Partei Schas stehe die Freilassung über allem, sagte ihr Abgeordneter Yinon Azoulai laut Times of Israel am Dienstag.
Das Blutbad im Gazastreifen wird also vermutlich weitergehen. Nach palästinensischen Angaben starben in den 24 Stunden bis Dienstag morgen mindestens 26 Menschen bei israelischen Luftangriffen. Gleichzeitig rückte die israelische Armee unter Einsatz von Artillerie offenbar auch im Süden der Enklave vor. Am Montag waren zehn Zivilisten getötet worden. Die Opferzahl dürfte weiter steigen, auch weil das Militär laut der israelischen Zeitung Haaretz vom Montag keine Sicherheitszonen mehr ausweist. Ganz Gaza ist jetzt also eine Todeszone.
Angesichts des anhaltenden Bombardements genießt Israel selbst in der traditionell als israelfreundlich geltenden niederländischen Bevölkerung kaum noch Rückhalt. Seit Oktober 2023 befragt das Meinungsforschungsinstitut Ipsos I & O die Niederländer nach ihrer Einstellung zum Gazakrieg. Aktuelles Resultat: Nur noch 15 Prozent stehen hinter dem Vorgehen der Armee. Im Oktober 2023 waren es noch 29 Prozent gewesen.
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