Afroecuadorianische Viertel im Kreuzfeuer
Von Sara Meyer, Bogotá
Das Ergebnis der Stichwahlen um das Präsidentenamt in Ecuador in der vergangenen Woche weckt die Sorge vor einer weiteren Militarisierung des Landes. Laut amtlichem Endergebnis war aus der Wahl der rechte Amtsinhaber Daniel Noboa als Sieger hervorgegangen. Internationale Beobachter äußern sich zunehmend besorgt über die »Bukelisierung« des Landes, ein Begriff, der sich auf die autoritäre »Sicherheitsstrategie« des salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele bezieht. Diese beinhaltet Massenverhaftungen, die Einschränkung bürgerlicher Freiheiten sowie den verstärkten Einsatz des Militärs im Inneren – eine Entwicklung, die auch in Ecuador bereits demokratische Prinzipien angreift und soziale Ungleichheit verstärkt.
Besonders davon betroffen ist die afroecuadorianische Bevölkerung. Diese lebt häufig in marginalisierten Stadtteilen und ländlichen Regionen, die von Armut, schlechter Infrastruktur und sozialer Ausgrenzung geprägt sind. Ein Fall, der diese Realität exemplarisch widerspiegelt, ist das gewaltsame Verschwindenlassen von vier afroecuadorianischen Jugendlichen im Dezember 2024 in Guayaquil. Die Jungen, zwischen elf und 15 Jahre alt, wurden laut Berichten in ihrem Viertel Las Malvinas von Militärs festgenommen. Wochen später fand man ihre Leichen auf einer Mülldeponie. Laut Autopsiebericht wurden die Jungen durch Schüsse in den Hinterkopf getötet. Der Vorfall hat nicht nur im Land, sondern auch international Empörung ausgelöst. Eine Entschuldigung von staatlicher Seite gab es nicht.
Im Analysepodcast »El hilo« äußerte sich die afroecuadorianische Aktivistin Juana Francis Bone zu den Folgen dieser Entwicklung für die betroffenen Gemeinschaften. Der Fall in Guayaquil sei beispielhaft für den strukturellen Rassismus in den Sicherheitsbehörden: »Wenn du schwarz bist und aus der Peripherie kommst, gewährt dir der Staat kein Recht auf Sicherheit.« Laut ihren Schilderungen gebe es kaum Zugang zu Bildung, Arbeit oder fließendem Wasser. Nach 19 Uhr sei es gefährlich, bestimmte Viertel zu betreten, weil sowohl staatliche Repression als auch kriminelle Gewalt das tägliche Leben bestimmten.
In Vierteln mit hoher Arbeitslosigkeit und geringen Zukunftsperspektiven sind besonders viele Jugendliche gefährdet, von kriminellen Gruppen angeworben zu werden. Genau in diesen Gegenden finden auch die meisten militärischen Operationen statt. Im vergangenen Jahr wurden laut offiziellen Angaben über 27.000 solcher Einsätze in ganz Ecuador durchgeführt, was zu einer Reduktion der Mordrate um 17 Prozent sowie zur Konfiszierung großer Mengen an Drogen geführt habe. Dennoch gibt es zahlreiche Berichte über Menschenrechtsverletzungen und exzessive Gewaltanwendung. 2024 sollen laut der ecuadorianischen Menschenrechtsorganisation CDH fast 30 Menschen von den Sicherheitskräften hingerichtet worden sein. Beobachter stellen daher die Nachhaltigkeit dieser sicherheitspolitischen Erfolge in Frage.
Die afroecuadorianische Bevölkerung fühlt sich laut Bone zunehmend vom Staat entfremdet. Dieser müsse die sozialen Ursachen der Gewalt, wie Armut, fehlende Bildungschancen und Arbeitslosigkeit, ernsthaft bekämpfen, anstatt sich ausschließlich auf Repression zu stützen – ein Ansatz, den Noboas Gegenkandidatin Luisa González umsetzen wollte. Während einige Teile der Bevölkerung den harten Kurs Noboas als notwendigen Schritt zur Wiederherstellung von Ordnung betrachten, bedeutet er für viele – insbesondere die Armen – eine Quelle zusätzlicher Unsicherheit. In einem Land, das sich offiziell im »internen bewaffneten Konflikt« befindet, verlaufen die Frontlinien nicht nur zwischen Staat und Banden, sondern zunehmend auch entlang sozialer und ethnischer Grenzen.
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»Es geht um Leben und Tod«
vom 23.04.2025