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Aus: Ausgabe vom 23.04.2025, Seite 8 / Ansichten

Vaterlandsverteidiger des Tages: Ekrem İmamoğlu

Von Nick Brauns
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Ein Anhänger von Ekrem İmamoğlu schwenkt eine Fahne, die diesen und Staatsgründer Atatürk zeigt (Istanbul, 11.4.2025)

Die geschäftsführende Bundesregierung verhindert die Lieferung von »Eurofighter«-Kampfflugzeugen an die Türkei. Erst im Herbst hatte Kanzler Olaf Scholz seine bisherige, mit der israelfeindlichen Haltung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan begründete Blockadepolitik aufgegeben. Dass die Nochbundesregierung aus SPD und Grünen nun erneut ihr Veto eingelegt hat, wird laut Handelsblatt mit der Verhaftung des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem İmamoğlu vor einem Monat gerechtfertigt.

Der Oppositionspolitiker ist über diese Form »wertegeleiteter« Außenpolitik alles andere als glücklich. Schließlich geht es um ein Kampfflugzeug, »das unsere Luftstreitkräfte dringend benötigten und auf das wir schon lange gewartet hatten«, erklärte İmamoğlu am Montag auf X und appellierte an die kommende Bundesregierung, die Vetoentscheidung zurückzunehmen. Denn »die Türkei ist größer als Erdoğan. Regierungen kommen und gehen. Die nationalen Interessen der Türkei sind wertvoller als die von Erdoğan oder İmamoğlu«, empfiehlt sich der Sozialdemokrat auch hinter Gittern als patriotischer Vaterlandsverteidiger.

Die Sorge um die Demokratie in der Türkei dürfte in Berlin allerdings nur vorgeschoben sein. Schließlich hatte sich die Bundesregierung auch nicht daran gestört, als türkische Kampfflugzeuge zivile Infrastruktur in Nordsyrien und Bergdörfer im Irak bombardierten und Bürgermeister im kurdischen Osten der Türkei abgesetzt wurden.

Doch nach dem Umsturz in Syrien liefern sich die westlichen Verbündeten Türkei und Israel einen Kampf um die Hegemonie im Mittleren Osten. Tel Aviv will daher verhindern, dass Ankara durch den Kauf von »Eurofightern« oder F-35 aus den USA militärisch aufschließen kann. Somit steht einer Modernisierung der türkischen Luftwaffe weniger der inhaftierte İmamoğlu als die deutsche Staatsräson im Weg.

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