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Aus: Ausgabe vom 24.04.2025, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Streik der Müllabfuhr in Birmingham

22 Tonnen Müll

Sechs Wochen Streik bei der Müllabfuhr im britischen Birmingham. Es stinkt - nur nicht in den Vierteln der Reichen
Von Dieter Reinisch
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So sieht effektiver Streik aus (Birmingham, 15.4.2025)

Diese Woche sollen die Gespräche weitergehen, nachdem sie vor Ostern gescheitert sind: Doch zwischen der Labour-Verwaltung der zweitgrößten Stadt Großbritanniens, Birmingham, und den Gewerkschaften herrscht quasi Eiszeit. Seit fast sechs Wochen streikt die Müllabfuhr in Birmingham. Sie kämpft gegen die Kündigung von Kollegen und Gehaltskürzungen. Die Stadtverwaltung weigert sich, die Forderungen zu erfüllen, denn die Stadt sei bankrott.

Laut Angaben der Tageszeitung The Times vom Osterwochenende sollen sich 22 Tonnen Abfall auf den Straßen der Stadt in den englischen Midlands türmen. Der Arbeitskampf wird von der Gewerkschaft Unite organisiert. Sie gehört neben der der Transportarbeiter und Eisenbahner, RMT, zu den kämpferischsten Gewerkschaften. In den vergangenen Jahren organisierte sie Tausende Streiks im gesamten Land. Nach eigenen Angaben hat sie 80 Prozent davon gewonnen. Dabei trat sie auch offen gegen die Labour-Partei auf, so wie im aktuellen Ausstand in Birmingham.

Auf den Straßen Birminghams laufen mittlerweile Ratten herum, viele Bewohner berichten von unerträglichem Gestank durch die seit Wochen nicht abgeholten Müllberge. Einige Wohnviertel organisieren daher selbst die Mühlbeseitigung, auch einige wenige Streikbrecher dürften zum Einsatz kommen. Doch augenscheinlich passiert das nur in den wohlhabenden Stadtteilen.

Unite veröffentlichte daher vor Ostern ein Posting in den sozialen Medien: »Eine Erzählung über zwei Städte.« Vier Bilder sind zu sehen, auf zweien sind Müllberge sichtbar, auf den anderen beiden saubere Wohnviertel: »Links sind die wachsenden Müllberge in den Arbeitervierteln, rechts schön und sauber die Wohnhäuser der Vorsitzenden des Stadtrats, John Cotton und Majid Mahmood.« Brisant dabei: Beides sind Labour-Mitglieder, Cotton sogar der Parteivorsitzende in der Stadt. Von Labour hagelte es daraufhin Kritik an der Gewerkschaft: »Eine Linie wurde überschritten«, sagte Lord Watson, ehemaliger stellvertretender Parteichef, der Times.

Im Arbeitskampf geht es um Mitarbeiter, die für Recycling zuständig sind. Ihre Posten wurden nach einem Streik im Jahr 2017 geschaffen. Die Labour-Stadtverwaltung möchte diese Stellen nun streichen und behauptet, das sei notwendig, »um Birmingham an die landesweiten Regelungen anzupassen und ungerechte Überbezahlung zu vermeiden«. Unite widerspricht und betont, dass durch die geplanten Kürzungen der Posten und Wiedereinstellungen in anderen Gehaltsstufen rund 150 Mitarbeiter mehr als 8.000 Pfund Sterling (9.300 Euro) jährlich verlieren würden.

Vergangene Woche scheiterten Gespräche. Cotton sagte danach gegenüber BBC: »Solange Unite darauf beharrt, dass die Stellen nicht gestrichen werden, wird es keinen Fortschritt in den Verhandlungen geben können.« Unite bot an, auch über das Osterwochenende weiter zu verhandeln, doch dazu kam es nach jW-Informationen nicht. Denn, obwohl Birmingham bankrott ist, scheint nun doch Geld für die Abholung des Mülls vorhanden zu sein: Arbeiter aus benachbarten Kommunen und Mitarbeiter des Militärs sollen bis zum Ende dieser Woche die Müllberge entsorgen, wie die Stadtverwaltung informierte.

Offiziell wird über die Kosten geschwiegen, aber laut Informationen von Sky News könnte es sich um 200 Millionen Pfund Sterling (233 Millionen Euro) handeln. Als »Luftschlösser« bezeichnete ein Sprecher der Stadtverwaltung die kursierenden Zahlen. Das gesamte Jahresbudget der Müllabfuhr Birminghams lag 2024 bei 60 Millionen Pfund Sterling (70 Millionen Euro).

Auch in anderen Bereichen wird der Ton zwischen Gewerkschaften und Labour rauher: »Wenn es kein besseres Angebot gibt, wird Labour dafür einen hohen politischen Preis zahlen«, sagte der Generalsekretär der Lehrergewerkschaft NEU, Daniel Kebede. Die Lehrer erhielten für das aktuelle Unterrichtsjahr eine Gehaltserhöhung von 5,5 Prozent, verlangen aber weitere 2,8 Prozent, um die Inflation auszugleichen: »Wenn wir das nicht bekommen, dann werden wir in den kommenden Wahlen in allen Wahlkreisen gegen Labour-Abgeordnete Wahlkampf betreiben«, warnte Kebede auf der vergangenen Donnerstag zu Ende gegangenen NEU-Jahreskonferenz in Harrogate.

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