In Trumps Schatten
Von Jörg Kronauer
Coronapandemie, Finanzkrise, Trump-Zölle: Das ist, glaubt man dem Internationalen Währungsfonds (IWF), die neue Katastrophentrias der Weltwirtschaft im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts. Hatte der IWF das globale Wirtschaftswachstum für das Jahr 2025 noch im Januar auf 3,3 Prozent geschätzt, so korrigierte er es am Dienstag auf seiner gemeinsam mit der Weltbank durchgeführten Frühjahrstagung auf 2,8 Prozent. Eingerechnet hatte er nun, was im Januar zu befürchten, aber noch nicht im Detail abzuschätzen war: den Zollkrieg, mit dem US-Präsident Donald Trump seither die ganze Welt überzogen hat. Einen stärkeren Rückgang des Wachstums gegenüber den ursprünglichen Schätzungen habe man lediglich in den Jahren 2009 (Finanzkrise) und 2020 (Pandemie) erlebt, hieß es in Washington; und dabei habe der IWF in seiner aktualisierten Prognose nur Zölle und Gegenzölle berechnet, die bis zum 2. April bekannt gewesen seien. Eskaliere der US-Zollkrieg weiter, dann leide die Weltwirtschaft noch mehr.
Die Politik der Trump-Administration hat die diesjährige Frühjahrstagung von IWF und Weltbank, die am Sonnabend offiziell zu Ende geht, stark überschattet. Ursache Nummer eins: Die Schäden, die der von den USA mutwillig vom Zaun gebrochene Zollkrieg der gesamten Welt einbrockt, wiegen schwer. Um sie drehten sich entsprechend zahlreiche Debatten; und so manche angereiste Delegation war bemüht, ihren Aufenthalt in der US-Hauptstadt für Gespräche mit US-Stellen über Deals zur Aufhebung der Zölle zu nutzen. Ursache Nummer zwei: Allgemein herrscht Unklarheit, wie die Trump-Administration sich gegenüber den Bretton-Woods-Institutionen verhalten wird. Man weiß: Trump hat den Austritt der USA aus der WHO und dem Pariser Klimaabkommen verfügt, und er lässt die US-Mitgliedschaft in internationalen Organisationen allgemein überprüfen. Das »Project 2025«, ein von der rechten Heritage Foundation entwickeltes Regierungsprogramm, an dem sich Trump orientiert, hat dafür plädiert, auch aus IWF und Weltbank auszutreten. Werden die USA das vielleicht wirklich tun?
Nicht zuletzt dieser Frage war die besondere Aufmerksamkeit geschuldet, mit der die Rede von US-Finanzminister Scott Bessent am Mittwoch in Washington erwartet wurde. Die Vorzeichen waren durchaus ambivalent. Die Trump-Administration hatte, darauf wies das Springer-Nachrichtenportal Politico zu Beginn der Frühjahrstagung hin, noch immer keine US-Repräsentanten in die Exekutivdirektorien von IWF und Weltbank entsandt; auch in der Abteilung des Finanzministeriums für internationale Angelegenheiten war der offizielle Leitungsposten noch unbesetzt. Ließ sich dies ohne weiteres als mangelndes Interesse der Trump-Regierung an den Bretton-Woods-Institutionen interpretieren, so erinnerte Politico daran, dass auch die Biden-Administration sich mit der Ernennung ihres Weltbank-Exekutivdirektors bis zum August 2021 Zeit gelassen und ihren IWF-Exekutivdirektor nie offiziell bestätigt hatte. Man dürfe derlei nicht überinterpretieren, sollte das heißen.
Bessent bestätigte das. »›Amerika zuerst‹ heißt nicht ›Amerika allein‹«, erklärte er am Mittwoch. Der IWF und die Weltbank erfüllten »wichtige Rollen im internationalen System«; die Trump-Regierung sei »bereit, mit ihnen zusammenzuarbeiten«. Das setze allerdings voraus, dass sie künftig ihrer eigentlichen Rolle wieder nachkämen. Der IWF etwa sei »einst unerschütterlich« darin gewesen, »die globale Währungszusammenarbeit und Finanzstabilität zu fördern«. Heute widme er »unverhältnismäßig viel Zeit und Ressourcen« dem Kampf gegen den Klimawandel, »der Gleichstellung der Geschlechter und sozialen Fragen«. All das aber gehe an seinen wirklichen Aufgaben vorbei. Vielmehr solle er sich darauf konzentrieren, einen ausgewogenen Handel zu unterstützen. Konkret heiße das etwa, dass er »Länder wie China« zur Ordnung rufen solle, die »seit vielen Jahrzehnten global verzerrende Maßnahmen und undurchsichtige Währungspraktiken« verfolgten. Bessent verlangte: »Wir müssen den IWF wieder zum IWF machen.«
Und die Weltbank? Auch sie solle ihre Kapazitäten in Zukunft wirksamer nutzen, forderte Bessent – und führte an einem Beispiel aus, was er darunter verstand. So solle sie sich etwa auf die Förderung der Energieversorgung in Entwicklungs- und Schwellenländern konzentrieren. Damit waren freilich nicht etwa erneuerbare Energien gemeint, sondern jene, bei denen US-Konzerne eine starke Stellung halten und auf neue Geschäfte hoffen können. So lobte Bessent explizit die Ankündigung der Weltbank, »die Verbote für die Förderung der Kernenergie aufzuheben«. Zudem deutete er an, die Weltbank solle künftig auch wieder die Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen uneingeschränkt unterstützen; das tut sie zur Zeit – dies im Interesse nicht bloß der Produzenten von Windrädern und Solarzellen, sondern auch zahlreicher verarmter Länder, die von Überschwemmungen und Trockenheit geplagt sind – nur recht eingeschränkt.
»Die Trump-Administration wird der Führung und dem Einfluss der USA bei diesen Institutionen zum Durchbruch verhelfen und sie dazu treiben, ihre wichtigen Funktionen zu erfüllen«, kündigte Bessent an; sie werde zudem »verlangen, dass das Management und das Personal dieser Institutionen dafür verantwortlich gemacht werden, wirklichen Fortschritt vorzuweisen«. Will sagen: Washington wird Druck machen. Die USA halten nach wie vor 16,49 Prozent der Stimmrechte – mit großem Abstand vor den Nummern zwei, Japan (6,14 Prozent), und drei, China (6,08 Prozent). Deutschland (5,31 Prozent), Großbritannien und Frankreich (je 4,03 Prozent) folgen abgeschlagen. Die US-Dominanz, die den realen Verhältnissen in der Weltwirtschaft längst nicht mehr entspricht, haben bislang alle US-Regierungen, auch die von Barack Obama, kompromisslos verteidigt. Dank ihnen kann Trump jetzt versuchen, sie zur Durchsetzung seiner Politik in den Bretton-Woods-Institutionen zu nutzen.
Hintergrund: Prognosen
Die Trump-Zölle haben die Aussichten für das globale Wirtschaftswachstum auf einen Schlag empfindlich reduziert – von einem Plus von 3,3 Prozent, mit dem der IWF noch im Januar rechnete, auf 2,8 Prozent laut der aktuellen Frühjahrsprognose. Am härtesten getroffen würden die USA, hieß es nach der Bekanntgabe der Vorhersage; ihr Wachstum werde von 2,7 Prozent um 0,9 Prozentpunkte auf nur noch 1,8 Prozent schrumpfen. Nur: Die US-Bürger können sich für ihre Einbußen bei ihrer eigenen Regierung bedanken. Die Möglichkeit haben andere nicht, die nach Prozentpunkten wohl etwas weniger, der Sache nach aber erheblich härter getroffen werden, weil sie in ärmeren Staaten leben, in denen schon geringere Verluste zu gravierenden Problemen führen.
Konkret reduzierte der IWF seine Prognose für die Schwellen- und Entwicklungsländer von einem Wachstum von 4,2 Prozent auf eines von nur noch 3,7 Prozent. Die Länder Afrikas südlich der Sahara können nicht mehr auf 4,2 Prozent hoffen, sondern müssen sich mit 3,8 Prozent zufriedengeben. Die Wachstumsprognose für Lateinamerika und die Karibik ging von 2,5 Prozent auf 2,0 Prozent zurück. Die Schwellen- und Entwicklungsländer Asiens sind sogar mit einem Rückgang von 5,1 Prozent auf 4,5 Prozent konfrontiert. Das trifft China und Indien, zwei Schwellenländer, deren wirtschaftlicher Aufstieg in Richtung Weltspitze sich verlangsamen wird, aber auch Länder wie Kambodscha und Thailand, eines eher an China, das andere lange Zeit klar an den USA orientiert, die bei ihrem Versuch, der harten Armut zu entkommen, erbarmungslos zurückgeworfen werden – ganz so wie zahlreiche Länder Afrikas.
Dass die IWF-Wachstumsprognose für die schwächelnde Euro-Zone von 1,0 Prozent auf 0,8 Prozent sinkt, schmerzt die immer noch wohlhabenden Staaten Europas. Als stärker aber drohen sich die Schäden in den Ländern der verarmten Peripherie zu erweisen – in Staaten, die US-Präsident Donald Trump in seiner ersten Amtszeit mit dem Beiwort »Shithole« denunzierte. Immerhin weiß man seitdem, was er denkt.
(J.K.)links & bündig gegen rechte Bünde
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