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Aus: Ausgabe vom 26.04.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Manöver im Handelskrieg

Apples Gewinnspiel

US-Multi will China als wichtigsten I-Phone-Hersteller durch Indien ersetzen. BRICS weiter wie gelähmt
Von Klaus Fischer
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Bye-bye, Volksrepublik: Apple könnte bis 2026 alle in den USA verkauften I-Phones in Indien herstellen

Der US-Technologiekonzern Apple steht vor einer Weichenstellung bei der Herstellung seines wichtigsten Profitbringers, dem I-Phone. Medienberichten vom Donnerstag zufolge plant der Konzern, die für den heimischen Markt bestimmten Smartphones hauptsächlich in Indien fertigen zu lassen. Die Financial Times (FT) behauptete sogar, dass Apple dort Ende 2026 alle in den USA verkaufte I-Phones herstellen wolle – mehr als 60 Millionen pro Jahr. Derzeit kommen die meisten dieser hochpreisigen Mobiltelefone aus China.

Im aktuellen Zollkrieg, den die US-Regierung schwerpunktmäßig gegen Beijing führt (145 Prozent auf Wareneinfuhren aus der Volksrepublik), wäre das ein Trumpf für Washington, um China zum Einlenken zu zwingen. Die Regierung der wichtigsten Industrienation der Welt hat bislang jeden Vorstoß der US-Administration gekontert. Eine komplette Verlagerung der I-Phone-Produktion nach Indien (und teilweise nach Vietnam) könnte allerdings für riesige Produktionskapazitäten in der Volksrepublik den Todesstoß bedeuten, oder aufwendige Umstrukturierungen erzwingen. Hunderttausende von Arbeitsplätzen wären bedroht.

Derzeit ist nicht klar, ob der Techkonzern tatsächlich den Strategiewechsel plant, oder nur als Assistent der Regierung die aktuelle Situation nutzt, um handelspolitischen Druck auszuüben. Denn um den Wechsel nach Indien auch zu vollziehen, müsste der FT zufolge die Produktion dort verdoppelt werden – ein Akt, der nicht in ein paar Monaten zu realisieren wäre. Zwar könne in Indien die gesamte Modellpalette zusammengebaut werden, wie dpa am Donnerstag schrieb. Allerdings würde Apple bei einem abrupten Wechsel ein hohes Risiko eingehen. Anlagen und qualifizierte Arbeitskräfte für derartige Maßnahmen stehen nirgendwo auf Abruf bereit.

Der US-Multi ist hinreichend erfahren, was die profitable Arbeitsteilung betrifft und kann als Musterbeispiel der neoliberalen Globalisierung bezeichnet werden. Das aktuell wieder an der Spitze der US-Börsenbewertung rangierende Unternehmen (Nvidia und Microsoft wurden zwischenzeitlich auf die Plätze verwiesen) entwirft die I-Phones in den USA und lässt sie in Staaten mit hoher Produktionsqualität und deutlich geringeren Personalkosten als im Inland fertigen.

Als Hauptauftragnehmer fungierte lange Zeit das taiwanesische Unternehmen Foxconn – das ein weitgefächertes Geflecht aus Zulieferern und Dienstleistern in der Volksrepublik etabliert hat. Allein am Standort Shenzen im Perlflussdelta nahe Hongkong waren dort bis 2022 rund 200.000 Menschen beschäftigt. Chinas rigorose Coronamaßnahmen führten allerdings dazu, dass die Fertigung in der 17 Millionen Einwohner zählenden Metropole vorübergehend eingestellt werden musste. Darauf sah sich Apple nach weiteren Dienstleistern um und beauftragte etwa die chinesische Firma Luxshare Precision, die bis dahin eher I-Pods und andere weniger wichtige Apple-Produkte montiert hatte, mit der Fertigung hochpreisiger I-Phones. In der Folgezeit wurden Auftragsfertiger in Indien und Vietnam gefunden, die Teilmengen der Produktion übernahmen. Die aktuelle Apple-Ankündigung hat also einen gewissen Vorlauf.

Die Reaktion aus Beijing kam wie immer prompt – wenn auch nicht spezifisch adressiert: Am Freitag meldete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua, das Politbüro der Kommunistischen Partei Chinas habe sich verpflichtet, »mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, um den Multilateralismus aktiv zu unterstützen und sich einseitigen Schikanen zu widersetzen«. Die Parteiführung sicherte der chinesischen Wirtschaft zugleich staatliche Unterstützung zu, wie dpa meldete. Die große Frage ist: War das auch ein Weckruf für die BRICS-Staaten?

Die erweiterte Gruppe, der ursprünglich Brasilien, Russland, Indien, China und die Republik Südafrika angehörten, ist allem Anschein nach stillschweigend auf Tauchstation gegangen: Keine gemeinsame Resolution war zu vernehmen, als US-Präsident Donald Trump bereits vor Amtsantritt Zölle von 100 Prozent gegen die Mitgliedstaaten ankündigte, sollten sie sich vom US-Dollar abwenden. Ein koordinierter Widerstand gegen Trumps Zollpolitik ist nicht sichtbar.

Statt dessen priorisiert jedes einzelne Mitgliedsland seine Interessen. Das alte Sprichwort, dass Staaten keine Freunde haben, bestätigt sich erneut. Indien als zweitstärkste Wirtschaftsmacht des Staatenbundes hält konsequent an seiner seit langem praktizierten Pendelpolitik zwischen dem globalen Westen und den aufstrebenden Staaten des globalen Südens fest. Erdöl kommt günstig aus Russland, und Arbeitsplätze werden von Apple geschaffen. Ein Deal nach Trumps Geschmack.

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