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Aus: Ausgabe vom 28.04.2025, Seite 2 / Ausland
EU-Fiskalregeln

Berlin bricht Brüsseler Regeln

Handelsblatt: EU-Staaten gefährden das deutsche Verschuldungsprogramm
Von Daniel Bratanovic
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Der deutsche Staat plant zwecks Aufrüstung und Investitionen in die (militärisch relevante) Infrastruktur eine Neuverschuldung in bisher ungekannten Ausmaßen – und könnte damit an EU-Vorgaben scheitern. Das Handelsblatt berichtete am Sonntag von entsprechenden Problemen, mit denen die künftige Bundesregierung konfrontiert sein dürfte.

Den Schuldenregeln der EU liegen andere Maßstäbe zugrunde als auf nationaler Ebene. Denn während etwa das sogenannte Sondervermögen Infrastruktur außerhalb der deutschen Schuldenbremse steht, werden sie nach den Kriterien aus Brüssel sehr wohl auf das jährliche Haushaltsdefizit angerechnet. Nach EU-Regularien dürfen die Staatsausgaben mittelfristig die Schuldenquote von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten. Das noch vom alten Bundestag mit Zweidrittelmehrheit verabschiedete Aufrüstungs- und Infrastrukturpaket wird die Verschuldung jedoch auf mindestens 80 Prozent hinauftreiben.

»Nach der bisherigen Auslegung der geltenden EU-Fiskalregeln bleibt tatsächlich wenig Spielraum für Deutschland, mit Hilfe des neu geschaffenen Sondervermögens Infrastruktur die öffentlichen Investitionen schnell und kräftig zu erhöhen«, zitiert das Düsseldorfer Wirtschaftsblatt Sebastian Dullien, Chef des gewerkschaftsnahen Wirtschaftsinstituts IMK.

Naheliegend wäre eine Reform der Brüsseler Fiskalregeln. Allerdings waren die erst im vergangenen Jahr angepasst worden und tragen unverändert eine deutsche Handschrift. Der damalige Finanzminister Christian Lindner hatte sehr zum Missfallen hochverschuldeter Länder wie Frankreich und Italien eine Aufweichung der Verschuldungsbestimmungen kategorisch abgelehnt. Ein deutscher Vorschlag vom März, die Regeln erneut zu reformieren, stieß denn auch auf Ablehnung, sowohl von jenen Staaten, die tendenziell für Ausnahmen plädieren, als auch von jenen, die für strikte »Haushaltsdisziplin« eintreten.

Nach Angaben des Handelsblatts rechnen andere EU-Länder nun damit, dass die Bundesrepublik eher auf Nachsicht der EU-Kommission hoffe und den Stabilitätspakt brechen werde. Berlin habe jetzt keine Wahl, gibt die Zeitung einen EU-Diplomaten wieder, es müsse »französischer« werden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (27. April 2025 um 20:42 Uhr)
    Ein bisschen Kreativitätsnachhilfe für die engstirnigen (deutschen und europäischen) Bürokraten: »Die Autobahn GmbH des Bundes« geht aus dem Digital_Oder_So_Ministerium in das sogenannte Verteidigungsministerium über und wird auftrags- und funktionsgerecht von der Bundeswehr betrieben. Damit sind die Schuldengrenzen automatisch hinfällig und volle Transparenz ist hergestellt. Die Priorisierung von Maßnahmen ist dann sehr leicht: Der kontraproduktive zehnspurige Ausbau der A 5 in Nord-Süd-Richtung wird gedreht (um neunzig, nicht um dreihundertsechzig Grad) und über Erfurt, Dresden, Görlitz in Richtung Lwiw fortgeführt. Nachrangige Abschnitte (z. B. A 7) werden zwar bearbeitet, aber über eine Maut finanziert (die jeder Zivilist abdrücken muss), die die BW nach billigem Ermessen erhebt. Zivil/hybrid genutzte Verkehrswege: Bahnstrecken, Wasserstraßen, Brücken – Kritik oder gar Proteste gegen Maßnahmen sind von vornherein aussichtslos, es handelt sich ja um eine neue Art von Truppenübungsplätzen, auf denen Zivilisten nichts zu suchen haben. Die Bundespolizei wird auch entlastet, MP und MAD nehmen deren Funktion im hybriden Verkehrsbereich wahr.

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