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Aus: Ausgabe vom 29.04.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Jemen

Ansarollah unbeirrt

Jemenitische Organisation bekräftigt Vorgehen gegen Israel und USA im Roten Meer – solange diese ihren Krieg in Gaza weiterführen
Von Wiebke Diehl
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Woche um Woche demonstrieren Hunderttausende Jemeniten ihre Solidarität mit Palästina (Sanaa, 25.4.2025)

Es war eine deutliche Warnung, die der Anführer der jemenitischen Ansarollah, Abdul Malik Al-Huthi, am 4. April aussprach: »Wir raten und warnen alle arabischen Regime und die Nachbarländer des Jemen, sowohl in Afrika als auch anderswo, sich nicht gemeinsam mit den Amerikanern auf die Unterstützung der Israelis einzulassen.« Jede Zusammenarbeit mit dem »israelischen Feind« sei ein Verrat am palästinensischen Volk.

Al-Huthi machte damit einmal mehr deutlich, dass die Unterstützung der Ansarollah für die Palästinenser, solange der Krieg gegen den Gazastreifen fortgeführt und dessen Bewohnern Nahrungsmittel, Trinkwasser, Medikamente und Treibstoff vorenthalten werden, andauern wird. Er richtete sich aber auch in eindeutiger Weise an die Staaten in der Nachbarschaft des Jemen, insbesondere die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Saudi-Arabien, die seit über einem Jahrzehnt Krieg gegen den Jemen führen, eine unmittelbare Konfrontation aber derzeit begrenzt halten wollen.

Der direkte US-Krieg gegen den Jemen befindet sich bereits in seiner zweiten Runde: Im Januar 2024 hatte Joe Biden die wenig erfolgreiche Militärmission »Wächter des Wohlstands« ins Leben gerufen. Mitte März nahm auch US-Präsident Donald Trump die inzwischen fast täglichen Bombardierungen wieder auf und verschärfte sie im Vergleich zu seinem Amtsvorgänger spürbar. Am Abend des 17. April töteten die US-Marine und die US-Luftwaffe bei einem Angriff auf den Ölhafen Ras Issa in der für die Versorgung der jemenitischen Bevölkerung elementaren Hafenstadt Hodeida über 80 Menschen, die meisten davon Zivilisten, und verletzten mehr als 150 weitere. Wie Satellitenaufnahmen des US-Unternehmens Planet Labs PBC zeigen, lief infolge der Attacke Öl ins Rote Meer. Anfang April hatte ein US-Angriff auf ein Wasserreservoir 50.000 Menschen von jeglicher Wasserversorgung abgeschnitten. Bereits zweimal trafen US-Bomben im Norden des Landes ein Krankenhaus für Krebspatienten. Am Montag schlugen nach Angaben der Ansarollah Geschosse in einem Gefängnis für afrikanische Migranten ein. Fast 70 Menschen seien getötet worden. Die Angriffe auf den Jemen verschärfen schließlich die schwere humanitäre Krise, die sich mit der Einstellung fast der gesamten humanitären Hilfe aus den USA für das Land ohnehin deutlich verschlimmert hat.

Mitte April gab Al-Huthi bekannt, seit Wiederaufnahme des US-Kriegs gegen den Jemen seien 900 Luftangriffe gegen das Land geflogen worden. Nachdem die israelische Armee Anfang März unter Bruch der Waffenruhe die Bombardierung des Gazastreifens wiederaufgenommen und Tel Aviv die Zufuhr humanitärer Hilfsgüter für die dortige Zivilbevölkerung erneut gestoppt hat, setzen auch die Ansarollah ihre Angriffe auf Schiffe mit Israel-Bezug fort und nehmen inzwischen auch wieder US-Kriegsschiffe und -Flugzeugträger ins Visier.

Teure Blockade

Die Ansarollah, ihre militärischen Anführer, aber auch ein Großteil der in Gebieten unter ihrer Kontrolle lebenden Bevölkerung scheinen sich durch die intensivierten US-Bombardements nicht einschüchtern zu lassen. In Massendemonstrationen mit Hunderttausenden bis zu Millionen von Teilnehmern tragen sie regelmäßig ihren Protest gegen die US-amerikanische Aggression, aber auch ihre Unterstützung Palästinas, auf die Straße. In einer Ansprache am 10. April gab sich Al-Huthi siegessicher: »Der US-amerikanische Feind wird nicht in der Lage sein, unsere militärischen Fähigkeiten und unsere Unterstützung für Gaza zu zerstören oder uns daran zu hindern, die israelische Seeschiffahrt anzugreifen. Vielmehr werden wir die Lage weiter eskalieren und unsere militärischen Fähigkeiten ständig weiterentwickeln.« Und: »Die Seeschiffahrt des israelischen Feindes durch das Rote Meer ist völlig zum Erliegen gekommen.« Tatsächlich wird der Großteil des Handelsschiffsverkehrs weiterhin um Südafrika herum umgeleitet. Im vergangenen Juli musste der Hafen von Eilat Insolvenz anmelden, nachdem acht Monate lang keine Schiffe und Container angekommen und somit auch keine Einnahmen zu verzeichnen waren. Eilat ist der einzige israelische Hafen am Roten Meer und somit Israels Tor zu Asien, Afrika und einigen Golfstaaten.

Auch Berichte, dass mit den VAE verbündete Milizen im Süden des Jemen sich die US-Bombenkampagne zunutze machen wollen, um eine Bodenoffensive gegen die Ansarollah zu starten, scheinen die Entschlossenheit nicht brechen zu können. Wie die New York Times am 14. April berichtete, beraten private US-Sicherheitsunternehmen die teilweise als äußerst brutal auch gegen die Zivilbevölkerung bekannten Milizen, die sich erhoffen, zumindest Teile der unter Kontrolle der Ansarollah stehenden Gebiete erobern zu können. Die VAE hätten den Plan aber auch direkt mit US-amerikanischen Behörden besprochen. US-Beamte hätten erklärt, man sei bereit, eine Bodenoperation lokaler Streitkräfte zu unterstützen.

Hauptziel der anvisierten Offensive wäre die Hafenstadt Hodeida am Roten Meer, um den Ansarollah Angriffe auf Schiffe zu erschweren sowie ihre wirtschaftliche Lebensader zu kappen. Die USA behaupten, über den Hafen würden die Ansarollah, die ihre Waffen allerdings größtenteils selbst produzieren, mit Rüstungsgütern aus dem Iran versorgt. Teheran streitet ab, Waffen in den Jemen zu liefern.

Hintergrund: Machtkampf am Golf

Kurz nachdem US-Kampfjets den Jemen bombardiert hatten, soll das saudiarabische Militär einem Bericht des den Ansarollah nahestehenden Fernsehsenders Al-Masira zufolge am 16. April Grenzgebiete im Gouvernement Saada mit Raketen und Artillerie angegriffen haben. Die Angriffe erfolgten am selben Tag, als das Wall Street Journal und die New York Times berichteten, dass von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützte separatistische Milizen im Südjemen eine Bodenoffensive gegen von den Ansarollah gehaltene Gebiete planen würden.

Allerdings erklärten Vertreter Saudi-Arabiens inoffiziell, sich weder an einer Bodenoffensive im Jemen beteiligen noch diese unterstützen zu wollen. Im Jahr 2018 hatte Riad drei Versuche gestartet, die Hafenstadt Hodeida einzunehmen, war allerdings jedesmal gescheitert. Die Ansarollah reagierten damals mit Angriffen auf saudische Ölanlagen und -häfen mit fatalen Folgen für das Königreich.

Die VAE und Riad führen zwar seit 2015 gemeinsam Krieg im Jemen, in dem seit 2022 offiziell ein Waffenstillstand herrscht. Sie verfolgen aber unterschiedliche Ziele: Während Saudi-Arabien die territoriale Integrität des Landes unter der international anerkannten, demokratisch aber nicht legitimierten »Regierung« anstrebt, unterstützen die VAE die Abspaltungsabsichten des Südübergangsrats und mit ihm verbundener Milizen. Abu Dhabi verfolgt dabei vorrangig seine eigenen Interessen und konzentriert sich auf die Kontrolle der Seewege und Häfen.

Die VAE kooperieren zudem von allen Golfstaaten am engsten und auch am offensten mit Israel. Auf der jemenitischen Insel Sokotra haben beide Länder gemeinsame Militär- und Geheimdienststützpunkte errichtet. Anfang März installierte Abu Dhabi außerdem in der halbautonomen Region Puntland in Somalia ein modernes Radarsystem israelischer Bauart, um Angriffe der Ansarollah auf Israel zu überwachen und möglicherweise auch zu verhindern. (wd)

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