Wieder Massaker in Gaza
Von Wiebke Diehl
Tel Avivs Eskalation im Gazakrieg kommt einer »neuen Phase seiner Politik des Völkermords gleich«. So das Urteil des türkischen Außenministeriums, nachdem bei intensiven israelischen Luftangriffen auf den Gazastreifen am Dienstag über 400 Menschen getötet worden sind. Bei den Attacken gegen die Zivilbevölkerung sollen auch mehrere politische Führungsmitglieder der Hamas, darunter der Regierungschef sowie der Leiter des Innenministeriums, ums Leben gekommen sein. Zudem rief die israelische Armee Anwohner des nördlichen Gazastreifens auf, ihre Häuser zu verlassen, weil die Attacken fortdauern würden. In einer offiziellen israelischen Erklärung hieß es, man habe »umfangreiche Angriffe auf Terrorziele« der Hamas ausgeführt. Dies sei eine »Reaktion auf die wiederholte Weigerung der Hamas, unsere Geiseln freizulassen«. Deren Angehörige zeigten sich derweil schockiert und erklärten, die Regierung habe das Leben der Geiseln aufgegeben. Jehuda Cohen, der Vater eines entführten Soldaten, warf Netanjahu »Mord« vor. Das »Forum der Geiseln« rief zu Protesten auf.
Dass Israel das Waffenruheabkommen bricht, war zu erwarten: Anfang März hatte Tel Aviv den Einlass sämtlicher humanitärer Hilfsgüter in die Küstenenklave und kurz darauf auch die Versorgung des Gazastreifens mit Strom gestoppt, weil die Hamas einer von der US-amerikanischen und der israelischen Regierung geforderten Verlängerung der ersten Phase der sechs Wochen zuvor eingeleiteten Waffenruhe nicht zustimmen wollte. Die Hamas forderte statt dessen, die Vertragsvereinbarung einzuhalten und den für Phase zwei vorgesehenen dauerhaften Waffenstillstand sowie die Freilassung weiterer Gefangener auf beiden Seiten einzuleiten. Zahlreiche Bäckereien und Suppenküchen mussten wegen der intensivierten Blockade inzwischen schließen.
In einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung sagen die jemenitischen Ansarollah (»Huthis«) derweil den Palästinensern ihre Unterstützung zu. Wegen der »Wiederaufnahme der Aggression durch den zionistischen Feind« werde man die Konfrontation eskalieren. Bereits am Montag abend hatte der Außenminister der große Teile des Jemen kontrollierenden Organisation, Dschamal Amer, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters betont, man werde sich weder dem Druck der USA noch den Appellen Irans beugen. Die Angriffe auf israelische Schiffe oder Schiffe mit Israel-Bezug im Roten Meer, in der Bab-Al-Mandab-Meerenge und im Golf von Aden würden fortgeführt, bis die Blockade des Gazastreifens aufgehoben werde. Man befinde sich »im Krieg mit den USA« und habe das Recht, sich mit allen Mitteln zu verteidigen. Eine Eskalation sei »also wahrscheinlich«.
Die Ansarollah haben nach eigenen Angaben dreimal binnen zwei Tagen den US-Flugzeugträger »USS Harry Truman« mit Marschflugkörpern und ballistischen Raketen angegriffen. Zuvor hatte die US-Luftwaffe in der Nacht zu Sonntag sowie am Montag abend erstmals seit Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump Angriffe auf Jemens Hauptstadt Sanaa und auf die für die Versorgung der Bevölkerung elementare Hafenstadt Hodeida geflogen. Dabei wurden mindestens 53 Menschen getötet. Seit Januar 2024 haben die USA und Großbritannien den Jemen Hunderte Male bombardiert, während es den Ansarollah zugleich gelang, mehrere westliche Kriegsschiffe aus dem Roten Meer zu vertreiben. Auch die israelische Luftwaffe hat Angriffe gegen das Land verübt.
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