Linke-Abgeordnete kritisieren deutschen Gazadiskurs als »einseitig und verzerrt«

Die Bundestagsabgeordneten der Partei Die Linke Nicole Gohlke, Cem Ince, Cansın Koktürk, Lea Reisner und Janine Wissler kritisieren in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau vom Dienstag den deutschen Diskurs zu Gaza als einseitig und verzerrt:
(…) Wahre Staatsräson müsste darauf abzielen, eine langfristige Friedenslösung zu finden. Dies würde bedeuten, Besatzung und Krieg zu beenden, anstatt Waffen zu liefern. NGOs, die Kriegsverbrechen kritisieren, sollten unterstützt werden – nicht sanktioniert. Zudem müsste Deutschland sich für die Umsetzung der vom Internationalen Gerichtshof empfohlenen Maßnahmen gegen die Besatzung einsetzen und die Haftbefehle des IStGH umsetzen.
Immer wieder wird die deutsche Geschichte als Argument für die bedingungslose Unterstützung Israels herangezogen. Doch die Lehren aus dem Holocaust sollten bedeuten, sich weltweit gegen Rassismus, Antisemitismus und jede Form der Unterdrückung einzusetzen. Statt dessen unterstützt Deutschland eine Regierung, in der sich selbsternannte Faschisten befinden, die einen Krieg führt, den namhafte israelische und internationale Wissenschaftler als Genozid bezeichnen, und die das Völkerrecht ignoriert.
Die jüngsten Äußerungen von Verteidigungsminister Israel Katz, der explizit der Bevölkerung in Gaza mit nie gekannter Gewalt, völliger Verwüstung und Zerstörung droht, machen deutlich, dass es der israelischen Regierung nicht um die Befreiung der Geiseln geht. Sie müssen auch in Deutschland zu einem Aufschrei und zu einem (Dis-)Kurswechsel führen.
In ihrem am Dienstag veröffentlichten Amnesty-Report 2024/25 »Zur Lage der Menschenrechte weltweit« beschuldigt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Israel, im Gazastreifen einen Genozid zu begehen:
Die israelische Militäroffensive im Gazastreifen, die nach den tödlichen Angriffen der Hamas und anderer bewaffneter palästinensischer Gruppen auf den Süden Israels am 7. Oktober 2023 begonnen hatte, führte in den 14 Monaten bis zum Jahresende 2024 zu mindestens 45.500 Todesopfern und 108.300 Verletzten. (…)
Recherchen von Amnesty International ergaben, dass Israel im Gazastreifen gegen die Völkermordkonvention verstieß, die Handlungen verbietet, die mit der Absicht begangen werden, eine Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören. Israel beging im Gazastreifen das Verbrechen des Völkermords, indem es u. a. palästinensische Zivilpersonen tötete, ihnen schwere körperliche oder seelische Schäden zufügte und vorsätzlich Lebensbedingungen herbeiführte, die auf die Zerstörung von Palästinenser*innen abzielten.
Humanitäre Organisationen konnten im Gazastreifen nicht im notwendigen Umfang tätig sein, weil Israel den Zugang zu dem Gebiet immer wieder verweigerte, behinderte oder Genehmigungen verschleppte. (…)
Mit einer Flut von »Evakuierungsbefehlen« trieb Israel die Bevölkerung des Gazastreifens in als sicher deklarierte Gebiete, die jedoch ständig kleiner wurden und in denen sich immer mehr Menschen drängten, ohne angemessenen Zugang zu lebensnotwendiger Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Nahrungsmitteln zu haben. Die Folge war, dass die meisten Palästinenser*innen im Gazastreifen unter extremem Hunger litten und Krankheiten sich rasch ausbreiteten. (…)
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