Gegründet 1947 Dienstag, 29. April 2025, Nr. 99
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 29.04.2025, Seite 7 / Ausland
IGH-Anhörung zu UNRWA-Verbot

Israel vor Gericht

Internationaler Gerichtshof prüft in fünftägiger Anhörung, ob UNRWA-Verbot rechtmäßig ist
Von David Siegmund-Schultze
7.JPG
Vandalismus auf Regierungslinie: Für israelische Rechte ist UNRWA eine Terrororganisation (Jerusalem, 30.1.2025)

Einmal mehr steht Israel im Fokus des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag: In der am Montag begonnenen fünftägigen Anhörung geht es um die Frage, ob Israels Verbot des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) einen Bruch der UN-Charta darstellt. Ende Oktober 2024 hatte die Knesset ein Gesetz erlassen, das jegliche Kooperation zwischen staatlichen Stellen und der UN-Organisation im Gazastreifen, in der Westbank und in Ostjerusalem verbietet. Außenminister Gideon Saar bezeichnete die Anhörungen in Den Haag am Montag als »beschämend« und sprach von einer »systematischen Verfolgung und Delegitimierung« seines Landes.

Israels Regierung behauptet, UNRWA sei systematisch von der Hamas unterwandert. Sie geht jedoch schon seit langem gegen die UN-Organisation vor. Ihr ist ein Dorn im Auge, dass das Hilfswerk den Flüchtlingsstatus der vertriebenen Palästinenser und ihrer Nachfahren aufrechterhält und eine Wiedergutmachung für das begangene Unrecht fordert – und das Thema damit auf internationaler Ebene am Leben hält.

Konkret hatte die Regierung eine Beteiligung von UNRWA-Mitarbeitern am Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 angeprangert. Daraufhin hatte die UNO eine unabhängige Untersuchung angeordnet. Ergebnis war, dass im August 2024 neun Mitarbeiter gefeuert wurden, weil es »sein könnte, dass sie an den Anschlägen vom 7. Oktober beteiligt waren«, wie es in einer damals von UNRWA-Chef Philippe Lazzarini veröffentlichten Stellungnahme hieß. UN-Generalsekretär António Guterres setzte ein weiteres unabhängiges Prüfungsgremium ein, das feststellen sollte, ob UNRWA alles in seiner Macht Stehende unternimmt, um Neutralität zu gewährleisten. Das von der ehemaligen französischen Außenministerin Catherine Colonna geleitete Gremium kam im April 2024 zu dem Schluss, dass »die Regeln, Mechanismen und Verfahren (der UNRWA, jW) die ausgefeiltesten innerhalb des UN-Systems sind«, wie Colonna damals sagte.

Doch erwartungsgemäß konnte sie die israelische Regierung damit nicht überzeugen, ihren Feldzug gegen die Organisation einzustellen. Weil UNRWA im Gazastreifen für große Teile des Bildungs- und Gesundheitssystems verantwortlich ist sowie die humanitäre Hilfe koordiniert, hat das Verbot verheerende Konsequenzen für die Lebenssituation der Bevölkerung. Um seine Rechtsmäßigkeit zu klären, haben 40 Staaten nun den IGH um ein Gutachten gebeten. Ein solches ist zwar nicht bindend, gilt jedoch als richtungsweisend für das internationale Recht. Das wiederholte Missachten vergangener Entscheidungen durch Israel kratzt allerdings an der Autorität dieses Rechts. So hat das höchste internationale Gericht im Januar, März und Juli 2024 im Rahmen der südafrikanischen Genozidklage in vorläufigen Urteilen Israel angewiesen, ungehindert Hilfslieferungen in den Küstenstreifen zu lassen. Oder ist im Juli 2024 zum Ergebnis gekommen, dass die Besetzung der palästinensischen Gebiete grundsätzlich illegal ist – und nicht nur der Siedlungsbau. Ohne direkte Konsequenzen.

Im Gegenteil: Seit dem 2. März blockiert die Regierung Netanjahu wieder jegliche Hilfslieferungen in den Gazastreifen und setzt Hunger ganz offen als Waffe ein. In der israelischen Öffentlichkeit sind genozidale Phantasien derweil weitgehend normalisiert. Am Wochenende schaffte es der Sänger Kobi Peretz auf die Titelseite der Jediot Acharonot, Platz zwei der meistgelesenen Tageszeitungen des Landes. Er sagte, Israel sei »verpflichtet«, den Feind komplett auszulöschen: »Ich habe kein Mitleid mit den Zivilisten in Gaza, egal ob jung oder alt.«

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Eine Palästinenserin schaut auf die Trümmer ihres von israelisch...
    12.12.2024

    Blankoscheck für Genozid

    UN-Sonderberichterstatterin Albanese fordert Ende der Straflosigkeit für Israel und Stopp sämtlicher Waffenlieferungen
  • Gegenüber den USA und Israel braucht man Chuzpe: Chefankläger Ka...
    25.05.2024

    Khan klagt an

    Vom Internationalen Strafgerichtshof beantragte Haftbefehle gegen israelische Führung und Hamas-Spitze verdeutlichen Doppelmoral Berlins

Mehr aus: Ausland