Aus: Ausgabe vom 14.10.2006, Seite 16 / Aktion
Infos oder Weltsicht?
Doch das Problem bleibt: Wer verteilt die Zeitungen an der Schule? Wer macht eine Veranstaltungen über die junge Welt zum Beispiel an der Fachhochschule Köthen? Wer organisiert Stände beim Open Ohr Festival in Mainz? Wir können Aufkleber, T-Shirts, Coupons herstellen lassen und zur Verfügung stellen. Und Zeitungen in gewünschter Stückzahl an die jeweiligen Einsatzorte liefern. Beispielsweise am kommenden Mittwoch an die Hochschulen, denn an diesem Tag steckt in der Zeitung wieder eine Unibeilage. Oder an die Orte großer Demonstrationen, wie am nächsten Samstag zu den DGB-Kundgebungen in fünf Städten. Aber dann brauchen wir Menschen, die diese Zeitung ganz konkret vor Ort verteilen (wer am Mittwoch oder Samstag bei den Verteilungen mitwirken will, meldet sich bitte beim Aktionsbüro unter 030/53635510). Noch besser, wenn sie vor Ort auch Probeabos oder richtige Abos einwerben. Andere Zeitungen schicken da Hostessen oder Drückerkolonnen los, das können und wollen wir so nicht machen. Unsere Erfahrungen zeigen allerdings, daß es effektiver ist, wenn man an so einer Sache dranbleibt, also kontinuierlich arbeitet. Denn der Weg vom Kennenlernen der Zeitung bis zum Abo ist oftmals lang. Das kann ein einzelner Unterstützer der jungen Welt begleiten, das geht aber besser mit einer LeserInnenInitiative.
Und noch ein Problem wird aus den Zuschriften deutlich: Viele der begeisterten jW-Leserinnen und -Leser, die die Zeitung nach Kräften unterstützen, haben selbst kein Abo. Aus unterschiedlichen Gründen. Der oben schon genannte Ludwig Enderle gibt das in seinem Schreiben durchaus zu, bei ihm sind es, neben Zeitgründen, die folgenden: »Ich muß von einer marxistischen Weltsicht nicht mehr überzeugt werden, sie ist mir geläufig und selbstverständlich. Deshalb brauche ich die jW nur bedingt, im Gegensatz zu den guten, prinzipiell eher links eingestellten Leuten, die den ganzen liberalen Quatsch glauben und sich verarschen lassen, ohne es zu merken. Es kostet mich Mühe genug, im privaten Umfeld gegen diese allgegenwärtige Gehirnwäsche zu argumentieren. Das kann die junge Welt viel besser.« Von daher übt er verständlicherweise Kritik an der aktuellen Werbekampagne bzw. an unserem Spruch »Für eine starke Linke«: »Das überzeugt eher nur Linke, die wissen, was sie darunter zu verstehen haben. Bei kritischen Grünwählern muß das nicht ziehen. Schreibt doch lieber ganz populistisch: Die Wahrheit!«. In der Tat müssen sich Redaktion und Verlag umstellen: Die Zeitung wird nicht mehr nur von einem kleinen, treuen Kreis klassischer Linker gelesen, sondern das Interesse bei Gewerkschaftern, politisch Aktiven oder jungen Leuten allgemein an linker Gegeninformation und damit an der jungen Welt wächst. Von daher sollten wir in unserer Ansprache stärker dieses erweiterte Umfeld berücksichtigen. Zum Beispiel, indem auch scheinbar Bekanntes, Voraussetzbares nachvollziehbar beschrieben wird. Andererseits ist es noch lange nicht so, daß unsere Kernzielgruppe, Linke mit einem marxistischen Ansatz, schon zum großen Teil die junge Welt abonniert hat. Zum einen, weil auch hier noch lange nicht alle das Angebot der jungen Welt kennen. Aber auch, weil von den anderen manche glauben, die junge Welt sei vor allem dazu da, die Leserinnen und Leser von einer marxistischen Weltsicht zu überzeugen. Dabei geht es schlicht um präzise Beschreibung und Analyse von politischen und sozialen Vorgängen. Wobei eine marxistische Weltsicht schon deshalb dienlich ist, weil es durch sie möglich ist, sich der Wahrheit mehr als in anderen Medien üblich zu nähern. Diese Form der täglichen Gegeninformation braucht aber jeder kritische Mensch, ob mit oder (noch) ohne marxistischer Weltsicht. Wie schaffen wir es aber bloß, diese wie jene von der Notwendigkeit eines Abonnements zu überzeugen? Wir sind nach wie vor an Ihren Anregungen zum Thema sehr interessiert (Zuschriften bitte an Dietmar Koschmieder, Verlag 8. Mai GmbH, Karl-Liebknecht-Str. 33, 12437 Berlin oder dk@jungewelt.de).
Verlag, Redaktion, Genossenschaft
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Mehr aus: Aktion
-
Umsteiger/in der Woche
vom 14.10.2006