Wieder Tote bei NATO-Angriffen / Weitere Meldungen
Bei den NATO-Luftangriffen sind nach jugoslawischen Medienberichten in der Nacht zum Dienstag mindestens ein Mensch getötet und zahlreiche weitere verletzt worden. Wie die Belgrader Nachrichtenagentur Tanjug meldete, starb ein Mensch bei der Bombardierung der südjugoslawischen Industriestadt Nis. Acht weitere erlitten dort zum Teil schwere Verletzungen. In einem nordwestlichen Industrieviertel von Nis schlugen laut Tanjug mindestens sieben NATO-Geschosse ein. Dabei seien auch Wohnhäuser in der Stadt 220 Kilometer südöstlich von Belgrad getroffen worden. Auch das Brennstofflager einer Tabakfabrik wurde demnach getroffen und ging in Flammen auf. Die Luftabwehr habe das Feuer der NATO-Jets erwidert.
Die US-Armee kündigte unterdessen an, sie werde demnächst mehrere hundert Falschirmjäger in Albanien stationieren. Sie sollen dem Schutz der Apache-Kampfhubschrauber dienen, die voraussichtlich noch am Dienstag dort eintreffen sollten. Diese sollen zum Kampf gegen Panzer der jugoslawischen Armee eingesetzt werden. Es handelt sich um die umfangreichste Entsendung von Soldaten des US-Heeres nach Europa seit Beginn der NATO-Luftangriffe gegen Jugoslawien am 24. März.
Apache-Hubschrauber: todbringende Waffe
Der Apache AH-64A/D ist der wichtigste Kampfhubschrauber der US-Armee. Die 24 Maschinen mit jeweils zwei Mann Besatzung, die von den USA für den Einsatz gegen jugoslawische Ziele bereitgestellt werden, befinden sich auf dem Weg nach Albanien. NATO-Sprecher Jamie Shea hat zwar vor allzu großen Erwartungen an den geplanten Einsatz der Apache-Kampfhubschrauber im Kosovo-Konflikt gewarnt. Diese Hubschrauber seien »kein Wundermittel«, die »die Situation völlig umkehren werden«, sondern ein »zusätzliches Element«, sagte Shea am Sonntag vor Journalisten in Brüssel. Ein »zusätzliches Element« dürfte vor allem die Munition des Kampfhubschraubers - die geflissentlich verschwiegen wird - darstellen.
Ebenso wie die der A-10 Thunderbolt und der britischen Harrier besteht sie aus abgereicherten Uran-Projektilen - bereits eingesetzt mit (Panzer-)durchschlagendem Erfolg im Krieg gegen den Irak. Auch damals wurde nicht nur über den Einsatz, sondern auch über die verheerenden Gesundheitsfolgen der Wundermunition - die der US-Army durch einen Bericht vor der Operation Desert Storm wohlbekannt waren - geschwiegen. Konsequenterweise auch den eigenen Soldaten gegenüber, die sich so ohne Schutzmaßnahmen den Uranpartikeln aussetzten und nach dem Krieg zu Zehntausenden am sogenannten »Golfkriegssyndrom« erkrankten - eine Tatsache, die bis heute vom US-Verteidigungsministerium geleugnet wird.
Die NATO interveniert aus »humanitären Gründen« im Kosovo und wird zur »Wahrung der Menschenrechte« ab Anfang nächster Woche auch jene Apache-Hubschrauber mitsamt ihrer doppelt tödlichen Munition einsetzen. 600 000 Pfund abgereichertes Uran wurden im Golfkrieg verschossen, einer britischen Studie nach eine Menge, die langfristig für den Tod von vier Millionen Menschen (Krebs und Leberschäden) verantwortlich sein wird.
Rußlands Präsident Jelzin schließt Bruch mit Westen aus
Rußlands Präsident Boris Jelzin hat am Dienstag einen Bruch mit dem Westen über den Kosovo-Konflikt ausgeschlossen. Jelzin habe bei einem Treffen mit Provinzgouverneuren gesagt, Rußland könne die Beziehungen »mit führenden Weltmächten nicht abbrechen«, sagte Präsidentensprecher Dimitri Jakuschkin der Nachrichtenagentur Interfax am Dienstag. Dies gelte ungeachtet der russischen Ablehnung der NATO-Angriffe gegen Jugoslawien. Jelzin hatte am Montag erstmals seit Beginn der Militärschläge am 24. März wieder mit US-Präsident Clinton telefoniert. Anschließend zeigte sich die US- Administration nach Information der New York Times »ein wenig zuversichtlicher über ein mögliches gemeinsames Vorgehen zur Lösung des Kosovo-Konflikts«. Clinton habe Jelzin gesagt, daß die USA und Rußland gemeinsame Interessen im Kosovo hätten. So wollten sie eine Autonomie der südserbischen Provinz innerhalb des jugoslawischen Staates anstreben.
Unterdessen setzten auch Frankreich und Großbritannien auf eine weitere Eskalation des Kriegs gegen Jugoslawien. Im Kosovo könne nach Ansicht des französischen Außenministers Hubert Vedrine eine NATO-Truppe auch ohne Zustimmung Belgrads stationiert werden. Dies setze eine Resolution des Weltsicherheitsrates voraus, sagte Vedrine in einem am Dienstag veröffentlichten Interview der Zeitung International Herald Tribune. Frankreich befürworte eine solche Entschließung des Sicherheitsrates.
Nach den Worten des britischen Premierministers Tony Blair könnte die NATO bereit sein, auch ohne die Zustimmung des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic Bodentruppen in das Kosovo zu schicken. Bei einem Besuch im NATO- Hauptquartier in Brüssel sagte Blair am Dienstag, Milosevic könne »kein Veto« gegen die Planungen der Allianz einlegen. Die NATO halte daran fest, daß eine internationale Militärmission entsandt werden müsse. Bereits in Rambouillet hatten die westlichen Regierungen versucht, Jugoslawien zur Stationierung einer NATO-geführten Besatzungstruppe zu zwingen.
Mazedonien sieht sich von der UCK bedroht
Der mazedonische Innenminister Pavle Trajanov hat der sogenannten Befreiungsarmee des Kosovo (UCK) vorgeworfen, Mazedonien in den Krieg hineinziehen zu wollen. Die UCK nutze Mazedonien als Drehscheibe für den Waffennachschub, sagte Trajanov am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP in Skopje. Darauf deuteten zahlreiche Waffenlager hin, die in den vergangenen Tagen entdeckt worden seien (Foto). Letztlich ziele die UCK darauf ab, nach Beendigung der Kämpfe im Kosovo auch in Mazedonien bewaffnete Aktionen zu starten. Ziel der UCK sei ein »Groß-Albanien«, das Albanien, das Kosovo sowie Teile Mazedoniens und Montenegros umfassen solle.
Die mazedonischen Medien berichten fast täglich von neu entdeckten Waffenlagern der UCK. Am Samstag sollen mazedonische Spezialeinheiten ein Waffenversteck in einer stillgelegten Chrommine in der Nähe der jugoslawischen Grenze bei Lojane ausfindig gemacht haben. Trajanov warf der UCK auch vor, albanischstämmige Bewohner Mazedoniens für ihren Krieg zu rekrutieren.
Goldhagen für Einsatz von Bodentruppen
Frankfurt/M. Der US-amerikanische Historiker und Autor des Buches »Hitlers willige Vollstrecker«, Daniel Goldhagen, hat sich in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau für einen Einsatz von NATO-Bodentruppen im Kosovo ausgesprochen. »Ja, man sollte Bodentruppen schicken. Das hätte man schon vor langer Zeit tun sollen«, sagte er. Nach seiner Meinung gebe es in der südserbischen Provinz Anzeichen eines quasigenoziden Anschlags auf die Kosovo-Albaner. Die Serben würden versuchen, die ethnischen Albaner einer bestimmten Region zu eliminieren. Auf den Einwand, daß die Opposition gegen Milosevic seit dem Beginn der NATO-Operation verstummt sei, antwortete Goldhagen, daß »letztlich die Leute, die ein Massenmörder-Regime unterstützen, für dessen Taten verantwortlich« seien. Es sei nicht die Aufgabe der NATO, »die Serben zu verändern«.
AFP/AP/jW
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