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Aus: Alternatives Reisen, Beilage der jW vom 12.12.2018
Alternatives Reisen

Himmel und Hölle

Das Reisen ist eine Lust. Doch vielen fällt es zur Last. Anregungen zur praktischen Weltanschauung
Von Peter Steiniger
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Wenn die Liebe übergroß wird: Der Massenansturm der Touristen schlägt sich in der Lebensqualität und auf dem Wohnungsmarkt nieder und verhagelt nicht nur in Berlin Einheimischen die Laune

Hammer und Sichel waren einmal, wir arbeiten und leben modern. Und wir sind fleißig – verwalten einander, schubsen Pixel hin und her, wir kaufen und verkaufen, wir bringen uns gegenseitig die Pizza oder das Paket. Ab und zu dürfen wir uns davon erholen. So wächst die Wirtschaft auch in der postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft weiter. Besonders trifft das auf den Fremdenverkehr mit hierzulande 2,3 Millionen Beschäftigten zu. Und das Geschäft boomt weltweit. Die Deutschen tragen dazu kräftig bei. Denn sie reisen gern und viel und meist ins Ausland. Am liebsten dorthin, wo man ihre Sprache versteht und wo sie sich wieder zueinandergesellen können. Sie schätzen Organisation und wollen informiert sein, buchen ihren Urlaub trotz Internets häufig noch im Reisebüro.

Die Summe der Auslandsreisen der Bewohner eines Staates, Quellmarkt im Fachjargon, ist längst ein wichtiger Indikator dafür, ob dessen Wirtschaft brummt oder stottert. Die weltweite Wachstumsindustrie Tourismus lässt nicht nur Träume wahr werden, führt nicht nur Menschen zusammen und rund um den Globus. Sie verbraucht auch dessen endliche Ressourcen. Und sie beansprucht viele der schönsten Fleckchen auf Erden. Milliarden bleibt das Recht auf Urlaub und Erholung dennoch vorenthalten. Die Reisebranche ist ein Motor für Entwicklung. Diese geht mit Ausbeutung und einer Vertiefung der sozialen Gegensätze einher, bei denen das Kapital am Steuer sitzt und die Politik nur hinterherschaut. Gegenwehr ist da bitter nötig. Beim Billigflieger Ryanair kämpfen die Kabinenbeschäftigten nun europaweit für bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung. Mit ersten Erfolgen.

Viele Bewohner der Hotspots des Städtetourismus wie Venedig, Amsterdam oder Barcelona kochen innerlich. Die überfüllten Zentren gleichen immer mehr einer Disney-Kulisse, Handel und Freizeitindustrie stehen im Dienst der Besucher. Die Einheimischen zahlen mit einem Verlust an Lebensqualität, müssen verstopfte Straßen und Enge in den öffentlichen Verkehrsmitteln ertragen. Auch Bewohner der europäischen Partymetropole Berlin können ein Lied davon singen. Mit genug Stimme können sie vielleicht die Disko ihrer schnell wechselnden Nachbarn übertönen. Mindestens 25.000 Appartements in der Hauptstadt sind als Ferienwohnung für Wohnungssuchende verloren. Dahinter stecken auch Immobilienbesitzer, die Wohnungen für Touristen umbauen, mit Scheinmietverträgen arbeiten. Eine hochlukrative Umnutzung. Das neue Berliner Zweckentfremdungsverbot greift kaum, hat solche Vermietungen sogar legalisiert. Die Regulierung wird tausendfach unterlaufen. Kapitalismus macht kreativ. Schlafplatzbörsen im Internet wie Airbnb verschleiern Adressen und Eigentümer. Daten der Kunden gibt das Unternehmen nicht heraus. Schließlich liegen die ja auf Servern in Irland.

Fast acht Millionen Besucher zirkulieren im Jahr durch Prags Altstadtgassen. Das sind über drei Millionen mehr, als ganz Kuba 2018 empfangen hat. Die Entwicklung der Branche folgt dort staatlichem Plan. Am vierten Mai war deshalb in der herausgeschmückten Stadt Sagua la Grande im Norden der zentralkubanischen Provinz Villa Clara schon wieder Feiertag. Der Minister war da, und es herrschte Volksfeststimmung. Auf Straßen und Plätzen versammelten sich die Bewohner, es wurde getanzt und musiziert. Alte koloniale Gebäude wie das prächtige Hotel Sagua waren wiederhergestellt, monatelang die Stadt verschönert, ihre Infrastruktur verbessert worden. An diesem Maitag wurde der Ort nun als neues touristisches Ziel für Rundreisen eingeweiht. Die Bürger von Sagua la Grande waren nicht nur aus Vorfreude auf die Gäste aus aller Welt aus dem Häuschen. Viele hoffen auf neue Einnahmequellen. Im übrigen sollen sie für ihren Hang zur Dichtkunst in ganz Kuba berühmt sein. Nur in Prosa berichten unsere Autoren über ihre Begegnungen mit Orten und Menschen abseits der ausgetretenen Pfade.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

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