Stark durch Streik!
Von David Maiwald
Der Kampf um den Achtstundentag und die brutale Reaktion der Herrschenden machte den 1. Mai Ende des 19. Jahrhunderts zum internationalen Kampftag der Arbeiterklasse. Obwohl hierzulande durch die BRD-Nachkriegsordnung weitgehend institutionalisiert, steht diese Errungenschaft der Arbeiterbewegung heute wieder offen in Frage. Das Jahr 2025 markiert das dritte einer allumfassenden Krise des deutschen Kapitals, denn längst ist der deutsche Imperialismus auf die hinteren Ränge der führenden Mächte gerückt. Seine Reaktion heißt »Zeitenwende« und beschreibt das Programm zur unbeschränkten Aufrüstung; koste es, was es wolle. Dieser Kriegskurs kommt zwangsläufig mit umfassenden Kürzungen im Sozialstaat und verstärkten Angriffen auf die Rechte von Lohnabhängigen einher.
Das geht freilich über die Grenzen der BRD hinaus. Auch international weichen Spannungen verstärkt der offenen Konfrontation. Wo der Krieg noch nicht tobt, arbeiten die imperialistischen Mächte daran, ihn zu beginnen. Scheinbare Friedensinitiativen, etwa der USA im Ukraine-Krieg, sind nicht mehr als taktische Manöver, um die hybriden Angriffe gegen andere Rivalen, in diesem Falle China, auszuweiten. Weltweit greifen die Regierungen internationale Abkommen an, missachten offen ihre eigenen Institutionen und bauen demokratische Rechte mehr und mehr zugunsten eines Repressionsapparates ab. Die eigene bürgerliche Ordnung wird den Herrschenden zunehmend hinderlich für die angestrebte Frontstellung.
Union und SPD kündigen nun offen den Rechtsbruch an. Sie wollen Erwerbslose mit der illegalen Verweigerung von Unterstützungsleistungen in schlecht bezahlte Arbeit drücken. Noch bevor die künftige Bundesregierung ihre Absicht bekanntgab, den Achtstundentag abschaffen zu wollen, hatte mit der Gewerkschaft Verdi die zweitgrößte Arbeiterorganisation dieses Landes einer Wochenarbeitszeit von mehr als 40 Stunden im öffentlichen Dienst zugestimmt. Es ist das aktuell wohl sichtbarste Beispiel einer fehlgeleiteten Organisierung der Arbeiterschaft, die nicht über den engen, rechtlichen Rahmen von Tarifauseinandersetzungen hinaus agiert.
Es ist ein Armutszeugnis, wenn der Deutsche Gewerkschaftsbund in seinem Aufruf zum 1. Mai den Hinweis fallen lässt, selbst »lange (…) eine Reform der Schuldenbremse gefordert« zu haben, ist diese doch mit dem Ziel der schrankenlosen Aufrüstung der BRD beschlossen. Bestenfalls naiv ist die Anmerkung, das »Sondervermögen« für Infrastruktur sei »auch ein Verdienst der Gewerkschaftsbewegung«. Wozu es dient, ist nicht ausgemacht. Die »Sozialpartnerschaft« hat nicht die Interessen der Werktätigen im Blick; Verbesserungen bei Wohnung, Bildung, Krankenversorgung und Mobilität zugunsten der Aufrüstung zurückzustellen, ebensowenig.
Wie sich Proteste gegen Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung bekämpfen lassen, wurde hierzulande zuletzt vor allem an der Solidaritätsbewegung mit Palästina demonstriert. Die körperliche Gewalt durch Schlagstöcke und Tränengas der Polizei traf die Menschen auf den Straßen direkt. Die Gewalt der Institutionen traf die politische Betätigung durch Verbote von Versammlungen, Veranstaltungen und Vereinen. All die hier erprobten Mittel lassen sich jederzeit gegen alle einsetzen, sollte es nötig werden. Es gibt unzählige Beispiele, wo der rechtliche Rahmen durch politischen Druck nötigenfalls gesprengt wird.
Das zeigt: Selten waren die kämpferischen Kräfte innerhalb der Gewerkschaften so gefordert wie heute. Es liegt an ihnen, das politische Mandat wieder stärker in ihre Organisationen zu tragen. Denn organisierte Kolleginnen und Kollegen sind längst bereit, auf den Streik als ihr wichtigstes Mittel im politischen wie im Arbeitskampf zurückzugreifen, das zeigen die jüngsten, großen Tarifkämpfe. Die Angriffe auf die eigenen Errungenschaften lassen sich zurückschlagen: gegen den Regierungskurs von verschärfter Ausbeutung, Kriegsvorbereitung und Sozialkahlschlag – nicht nur am 1. Mai.
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