Stiftungen gegen ALBA
Der Begriff »Stiftung« bezieht sich auf ein bestimmtes Vereinsmodell in Deutschland. So gibt es die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die die Bundesregierung berät.
Darüber hinaus verfügt jede der sechs im Bundestag vertretenen Parteien über eine Stiftung, die ihrer Ideologie »nahesteht«. Nach dem üblichen »Links-Rechts«-Schema ergibt sich folgendes Bild: Die Hauptaufgabe der Stiftungen liegt in der Fortbildung der Kader und Mitglieder der Mutterpartei. Die vom Gesetz geforderte »Unabhängigkeit« von der ihr »nahestehenden« Partei ist relativ, weil es der Bundestag ist, der über die Zuschüsse entscheidet, die die Stiftungen seitens des Staates erhalten. Diese Einnahmen machen etwa 90 Prozent des jeweiligen Stiftungsetats aus. Eine weitere Finanzierungsquelle sind das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Letzteres hat 216 Millionen Euro für konkrete Projekte (2010–2012) eingeplant. Aus diesem Grund pflegen die Stiftungen einen engen Kontakt untereinander und mit den beiden Ministerien.
Aber: »Sie sind weder ›Instrumente‹ noch ›Akteure‹ der Außenpolitik – sie sind beides in einem«, stellt die Politologin und Stiftungsexpertin Swetlana W. Pogorelskaja fest. Sie kommen in den Bereichen zum Einsatz, wo die deutsche Diplomatie nicht handeln kann oder will. So waren es 1973 deutsche Parlamentarier, die Bargeld nach Chile brachten, um die Opposition zu finanzieren, die sich auf den von der CIA geplanten Staatsstreich gegen Salvador Allende vorbereitete. Parallel dazu trug Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) Washingtons Wirtschaftsblockade gegen Santiago de Chile mit. In weiteren Ländern der Region zogen die deutschen Stiftungen es vor, diskreter zu operieren. Aber ihre systematische Zusammenarbeit mit den Schwesterparteien ist im Niedergang begriffen, seit 1998 Hugo Chávez die Präsidentschaftswahlen in Venezuela gewann. In der Folge haben die traditionellen Verbündeten der deutschen Stiftungen in allen ALBA-Staaten kontinuierlich an Bedeutung verloren.
Nur die Konrad-Adenauer-Stifung (KAS) hat bewußt auf die neue Situation reagiert. Sie hat die Zahl ihrer Partner reduziert und sich neue Alliierte gesucht, wie zum Beispiel »Primero Justicia«, eine Partei, die 2002 mit gegen Chávez putschte. Außerdem hat sie in Bolivien und Ecuador ihre Arbeit mit indigenen Personen und Organisationen verstärkt, die bestenfalls »kritisch « zu den Präsidenten Evo Morales beziehungsweise Rafael Correa stehen. Ihre Arbeit in der Region hat die KAS 2007 mit dem International Republican Institute (IRI ) in Anwesenheit von Daniel Fisk, dem damaligen Nationalen Sicherheitsberater von US-Präsident George W. Bush, abgestimmt. Darüber hinaus arbeitet sie mit antikubanischen Zellen zusammen, die über eine CIA-Anbindung verfügen.
Auf eine bisher nicht dagewesene Weise hat die liberale FNS ihre Ablehnung des AL BA-Projektes gezeigt, indem sie 2009 Roberto Micheletti vor, während und nach dem Militärputsch gegen den legitimen Präsidenten von Honduras, Manuel Zelaya, unterstütze, und den Putsch in Deutschland als einen legalen Akt darstellte. Hier sieht man die doppelte Funktion der Stiftungen: Im Gastland mischen sie sich in die inneren Angelegenheiten ein; daheim besteht ihre Arbeit in der Desinformation, im Absichern von illegalen Aktionen wie der in Honduras und im Voranbringen von Resolutionen, die ALBA-Mitglieder verurteilen. Die übrigen Stiftungen haben die FNS für ihre Einmischung in Honduras nicht kritisiert, weil ihnen das ein »ungeschriebenes Gesetz« verbietet.
2010 hat die SWP der Bundesregierung empfohlen, die Arbeit der Stiftungen in Lateinamerika zu erweitern oder zu ergänzen. Diese solle sich auf »demokratische Repräsentationsstrukturen « und »innerparteiliche und innergesellschaftliche Moderationsprozesse « konzentrieren. Die SWP nennt als Arbeitsgebiete »den sich anbahnenden Klärungsprozeß innerhalb der Linken, die Neuordnung der Rechten und das Entstehen starker grüner Initiativen«. Jetzt hängt es von jeder Stiftung selbst ab, ob sie ein »Instrument-Akteur« der deutschen Außenpolitik bleiben will und sich weiter in die inneren Angelegenheiten der ALBA-Staaten einmischt, oder ob sie zum Respekt gegenüber dem international verbrieften Selbstbestimmungsrecht der Völker zurückkehrt.