Der erste Tag auf See ...
Pünktlich um acht Uhr hieß es am Mittwoch für Mannschaft und Mitsegler der „Albin Köbis" im Germaniahafen zu Kiel „Leinen los!" Der Gastgeber unserer jW-Antörntour entlang der Ostseeküste, der Traditionssegler mit dem ehrenvollen Namen eines der roten Matrosen und Wegbereiters der Novemberrevolution verließ seinen Liegeplatz im sogenannten Museumshafen der Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein. Am Großmast flatterte unsere eigens für diesen Törn angefertigte Flagge mit dem jW-Schriftzug und der Aufschrift unserer aktuellen Abo-Werbekampagne "Sie lügen wie gedruckt. Wir drucken, wie sie lügen."
Gut anderthalb Stunden später hatten wir die Kieler Außenförde passiert – vorbei an dem nach einem Großadmiral der kaiserlichen Hochseeflotte benannten Tirpitz-Hafen der Bundesmarine am Westufer der Förde und dem unseligen, zur Erinnerung an die deutschen Opfer des U-Boot-Krieges des Ersten und des Zweiten Weltkrieges gestalteten, inzwischen allen Toten auch der zivilen Seefahrt gewidmeten Marine-Ehrenmal von Laboe. Nach dem Ablegemanöver, das noch mit Maschinenkraft erfolgte, wurden beim Segelsetzen alle Hände an Bord gebraucht, natürlich auch die der mitsegelnden „Landratten".
Die von Lutz Buche, dem Skipper, wie der Kapitän in der norddeutschen Umgangssprache genannt wird, schon am Vortag beim Anmustern seiner Crew auf Zeit ausgegebene Devise „Learning by doing" funktionierte prompt und beinahe reibungslos. Nahezu im Handumdrehen waren Klüver, Fock-, Groß- und Besansegel aufgezogen. Die vom Seewetterdienst für die Region ausgegebene Prognose sah günstig aus für unser Vorhaben, im Verlauf des Tages die Insel Fehmarn anzulaufen. Der Wind wehte mäßig, teilweise auch frisch aus nordwestlichen Richtungen, der Seegang wurde mit Stärke drei angegeben. Das waren Bedingungen, die einige kleinere Segelyachten in unserer Nähe bereits gehörig zum Tanzen brachten. Doch auch unser Segler mit seinen knapp 25 Meter Länge über alles, also inklusive Bugsprit, und gut 200 Quadratmetern Segelfläche geriet gelegentlich ganz schön ins Schlingern. Trotzdem hielten sich die neben Lutz Buche und seinem Bootsmann Achim Bittrich mitsegelnden zehn Leser und Sympathisanten der jungen Welt als gestandene Landratten ganz wacker im steten Auf und Ab der Ostseewellen; über die wenigen Ausnahmen decken wir natürlich gern den Mantel des verständnisvollen Schweigens.
Gegen 14 Uhr tauchten am Horizont die Umrisse von Fehmarn auf; unserem gestrigen Tagesziel. Die Insel ist über die 934 Meter lange Fehmarnsundbrücke mit dem Festland verbunden – man sieht sie schon aus zig Seemeilen Entfernung. Allerdings wollten wir nicht unter der Brücke hindurchfahren – unser Skipper entschied sich, nach Backbord abzubiegen und einen Liegeplatz im Dörfchen Orth zu suchen.
Dort erwartete uns schon unser »Landkommando« - die Kollegen nahmen die Leinen, halfen beim Festmachen und beim obligatorischen Einlaufbier. Dann bauten sie umgehend den »Agitationsstand« auf – ein großer Campingtisch, vollgepackt mit aktuellen Zeitungen und Werbematerial. Jeder vorüberschlendernde Urlauber bekam eine Zeitung in die Hand gedrückt, auch der Hafenmeister wurde beglückt. Nach fünf Minuten kam er zurück: »Jungs, gebt mir noch drei Zeitungen mit, ich habe ein paar Freunde, denen ich das Blatt mal zeigen will.«