Wie viele seiner Kameraden hat der Namensgeber "unseres" Traditionsseglers zunächst mal nichts mit Meer und Marine zu tun. Doch immerhin ging Albin Köbis, geboren am 18. Dezember 1892 in einer sozialdemokratischen Berliner Arbeiterfamilie - der Vater war Schlosser bei der AEG -, bereits mit 15 Jahren zur See.
1911 fuhr er als Matrose auf einem Handelsschiff der Westafrika-Linie. Im marokkanischen Hafen von Tanger machte er in jenem Jahr erstmals Bekanntschaft mit des Kaisers Kriegsflotte. Das berüchtigte Kanonenboot "Panther" (Panthersprung nach Agadir) hatte über Funk die Weisung erhalten, den knapp 18jährigen Seemann festzusetzen und von Marokko zurück nach Deutschland zu bringen, wo inzwischen ein Gestellungsbefehl für ihn vorlag.
So wurde das erste Kriegsschiff, dessen Planken er betrat, auch sein erstes Gefängnis - und eine erste Lehrstunde über den wahren Charakter des deutschen Imperialismus und Militarismus, wie es in einem späteren Bericht hieß.
Aus dem Handelsmatrosen wurde in der Folgezeit ein Heizer, später Oberheizer, auf dem Linienschiff "Prinzregent Luitpold", das nach dem 1821 geborenen und 1912 gestorbenen fünften Kind von König Ludwig I.von Bayern benannt war. An Bord dieses erst 1912 in Kiel vom Stapel gelaufenen, fast 25 000 Tonnen verdrängenden, 172 Meter langen und 29 Meter breiten Kolosses mit seinen mehr als 1000 Mann Besatzung und 32 Schnellfeuerkanonen verschiedener Kaliber- es war das Flaggschiff des IV. Geschwaders der Kaiserlichen Hochseeflotte - hatte Köbis u. a. im Mai 1916 die verlustreiche, von der Flottenführung dennoch in einen Sieg umgemünzte Schlacht im Skagerrak gegen die britische Flotte miterlebt.
Da hätte der Zwangsdienst als des Kaisers Kuli für ihn schon wenigstens ein Jahr vorbei sein können, wäre da nicht der 1. August 1914 gewesen und der damit beginnende todbringende Kampf des Kaiserreiches um einen "Platz an der Sonne".
Nach dem sinnlosen Seemannstod Tausender Kameraden mehrten sich unter den Besatzungen Rufe wie "Nieder mit dem Krieg!" Hinzu kamen die täglichen Schikanen der Vorgesetzten und eine Verpflegung der Mannschaften, die - im krassen Widerspruch zu der der Offiziere - diesen Namen nicht verdiente. Hinzu kam das Beispiel der russischen Februarrevolutionvon 1917, die zum Sturz des Zaren führte.
All das ließ Köbis mehr und mehr zum Kriegsgegner reifen, wobei er in seiner Heizerwache wie an Bord seines Schiffes und auf den anderen Schiffen des Geschwaders Gleichgesinnte um sich scharen konnte. Selbst auf dem Flottenflaggschiff "Friedrich der Große" fanden er und seine Gefährten Verbündete, die sich um den dort als Signalgast fahrenden und ebenfalls aus Berlin stammenden Max Reichpietsch gruppiert hatten. Der hatte in einem Urlaub Kontakt zur USPD-Zentrale herstellen können; die im April 1917 gegründete Unabhängige Sozialdemokratische Partei wurde - trotz hinhaltenden Taktierens ihrer Führung - mehr und mehr zur ideologischen Basis einer revolutionären Flottenbewegung.
Wiederholt demonstrierten die Kulis mit Essensverweigerung und Hungerstreiks, Arbeite-langsam- oder Feuer-aus-den-Kesseln-Aktionen ihre Macht, genauer gesagt: den Offizieren deren Abhängigkeit von den Mannschaften. Auf den Schiffen des I. und IV. Geschwaders unterschrieben rund 5000 Mann eine Resolution zugunsten eines annexionsfreien Verständigungsfriedens; davon allein auf "Prinzregent Luitpold" 400 und auf "Friedrich der Große" gar 850.
So kam es im Sommer 1917 zur Bildung einer revolutionären Flottenzentrale, zu deren anerkannten Wortführern Albin Köbis und Max Reichpietsch gehörten. Anfang August eskalierte die Situation, als auf eine spontane Aktion der Heizer vom "Prinzregenten" hin willkürliche Verhaftungen erfolgten.
Die Antwort darauf war am 2. August ein Ausmarsch, an dem von 700 anwesenden Besatzungsmitgliedern außer den Offizieren und Unteroffizieren 600 teilnahmen und sich zu einer Kundgebung in der Gaststätte "Weißer Schwan" in Rüstersiel bei Wilhelmshaven versammelten. Hier ergriff Köbis das Wort: "Kameraden. Die dritte Wache hat gestern zu früh losgeschlagen. Erst in einigen Wochen wollten wir zu einem großen Schlag ausholen. Mit uns gehen 'Friedrich der Große' mit 850 Mann, 'König Albert' mit 400, 'Westfalen' mit 350, 'Kaiserin' mit 600, 'Helgoland' mit 200 und die ganze 'Pillau'-Besatzung ..." Er sprach von einer Bewährungsprobe für die kommende große Schlacht, die nun erst mal zur Freilassung der eingesperrten Kameraden führen müsse, und schloß mit den Worten: "Wir sind die wahren Patrioten. Nieder mit dem Krieg! Wir wollen nicht mehr Krieg führen!"
Wieder zurück an Bord, befahl der Kommandant auf Weisung des über den geschlossenen Landgang informierten Marinestabes das unverzügliche Auslaufen des Linienschiffes. Köbis gelang es noch, der Flottenzentrale einen Kassiber zukommen zu lassen: "Schiff läuft aus. Wahrscheinlich unter Belagerungszustand. Wenn in drei Tagen keine Nachricht, dann los!"
Doch dazu kam es nicht mehr. Eine Verhaftungswelle erfaßte auch die anderen Schiffe. Gestützt auf Lauscher, Zuträger und Denunzianten in den Mannschaftsdecks hatten die Offiziere ein leichtes Spiel, die "Rädelsführer" zu ermitteln und festzusetzen. Da kamen Hunderte zusammen. Noch im selben Monat wurden sie vors Kriegsgericht gezerrt. Am 28. August trat das Feldkriegsgericht des IV. Geschwaders zur Urteilsverkündung zusammen. "Wegen vollendeter kriegsverräterischer Aufstandserregung" wurden Köbis und Reichpietsch und drei ihrer Gefährten "zum Tode, zur Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebensdauer und Entfernung aus der Marine" verurteilt.
Dabei waren die Bedingungen für die Todesstrafe mitnichten - und selbst nach dem Buchstaben des bürgerlichen Gesetzes nicht - gegeben. Das wußten die Herren der Admiralität nur zu genau. "Überhaupt dürfte es sich empfehlen", hieß es etwa in einem Schreiben an den für Marinefragen zuständigen Staatssekretär Eduard von Capelle, "mit keinem Wort sich auf die Frage einzulassen, ob der Tatbestand des Gesetzes, der die Verhängung von Todesstrafen zuläßt, erfüllt war oder nicht. Die Marinejustizverwaltung darf sich auf einen Streit hierüber, aus dem sie nicht als Sieger hervorgehen würde, nicht einlassen."
Während die Todesurteile gegen ihre drei Kameraden in letzter Minute noch in 15jährige Zuchthausstrafen umgewandelt worden waren, wurden die gegen Reichpietsch und Köbis am 5. September 1917 um sieben Uhr morgens auf dem Schießplatz Wahn bei Köln - also weit weg von der Küste - durch ein Landsturmkommando vollstreckt.
Doch selbst die Landwehrmänner waren über die Delinquenten belogen worden; man hatte ihnen gegenüber von zwei englischen Spionen gesprochen. Den Angehörigen der Marine wurde die erfolgte Hinrichtung erst fünf Tage später mitgeteilt. Die Abschiedsbriefe der Ermordeten wurden den Eltern erst Wochen später von den Justizbehörden übermittelt. Albin Köbis schrieb darin abschließend: "Ich sterbe zwar nicht gern so jung, aber ich sterbe mit einem Fluch auf den deutschen Militärstaat."