Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Wer ist morgen dran?

Erste Pressestimmen zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz
Geheimdienstliche Überwachung der jungen Welt und deren Begründung stoßen auf reges Medieninteresse

Die Bestellungen in den letzten drei Wochen haben es gezeigt: Fast 400 Menschen haben den skandalösen Vorgang als solchen erkannt und unterstützen die junge Welt ganz praktisch mit einem Abo. Da möchte man meinen, dass deutsche Medien ebenso umsichtig sind und die Drangsalierung der Tageszeitung junge Welt als mögliches Einfallstor für verschärfte Kontrolle aller Medien in diesem Lande erkennen. Auch bürgerliche Journalisten müssten aufschreien unter dem Damoklesschwert der Kontrolle durch einen unkontrollierbaren Geheimdienst. Doch der Reihe nach.

Die Meldung über die Beobachtung einer Tageszeitung durch Regierung und Verfassungsschutz wegen ihrer nicht genehmen politischen Linie fand in deutschen Tages- und Regionalzeitungen oder Funkanstalten bisher wenig Beachtung. Um so mehr Interesse zeigten ausländische Medien: Der russische Sender RT deutsch gab den Vorfall in Kürze wieder und schob ein Interview mit jW-Chefredakteur Stefan Huth hinterher. Über den Vorgang berichtet wurde darüber hinaus etwa im britischen Morning Star, der spanischen El Salto Diario und den ungarischen Nachrichtenportalen Muon und Merce. Die sozialistische Zeitung Vorwärts aus der Schweiz publizierte den jW-Appell für Pressefreiheit in Solidarität, und auch die Wochenzeitung Solidair der belgischen Marxisten machte auf den unglaublichen Vorgang aufmerksam, um nur einige Auslandsmedien zu nennen. Die Yeni Özgür Politika berichtete ausführlicher, da auch sie als türkisch-kurdische Tageszeitung vom deutschen Geheimdienst beobachtet wird.

Verhalten bis gar nicht reagierte bisher die deutsche Pressezunft. Für die Süddeutsche Zeitung beispielsweise ordnet der justizpolitische Korrespondent den Fall juristisch ein und zieht immerhin interessante Schlussfolgerungen. Das Nachrichtenportal Telepolis nimmt die offensichtlich herbeikonstruierte Begründung der Bundesregierung auseinander, die Taz sieht das einzige Verbrechen, dessen sich die jW täglich schuldig mache, in ihrem Layout und nicht in den Inhalten. Ebenfalls für die Taz schrieb der Armutsforscher Christoph Butterwegge über seine Sicht auf die Dinge, die er dann auch in einem Gastkommentar im Spiegel noch weiter ausführte. Auch die Wochenzeitung der DKP, die UZ, berichtete. Am schnellsten reagierte aber ND – der Tag, jedoch auch hier nur in Form eines Kommentars. Aufmerksamkeit und Interesse sind also durchaus vorhanden. Allerdings sind Kommentare immer nur Meinungsbeiträge, die bei der Einordnung der Nachricht helfen können. Man darf sich schon fragen, ob jemand einen Kommentar zu einer Nachricht liest, die es in der Zeitung gar nicht gibt.

Berichterstattung findet hingegen in vielen alternativ ausgerichteten Print- und Onlinemedien statt. Die Bundesregierung befeuere den Niedergang der Pressefreiheit in unserem Land mit ihren Handlungen, wie es in der Erklärung der Graswurzelrevolution heißt. Der Angriff auf die marxistische Ausrichtung einer Tageszeitung ist ein gewaltiger Angriff auf Presse-, Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, dem schon aus eigenem Interesse viel mehr Platz auch in bürgerlichen Print-, Online- und Funkmedien eingeräumt werden müsste. Denn niemand weiß, wer morgen ob einer nicht genehmen Haltung in der Berichterstattung vom deutschen Inlandsgeheimdienst drangsaliert wird.

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