Wer wird sich durchsetzen?
Zu den Grundpfeilern einer bürgerlichen Demokratie gehöre die Presse- und Meinungsfreiheit: »Nur wenn sich Menschen ungehindert informieren können, können sie sich eine Meinung bilden und durchdachte Entscheidungen treffen. Nur wenn sie ihre Meinung frei und ohne Angst äußern können, sind sie in der Lage, ihre Anliegen gegenüber Staat und Regierung geltend zu machen. Nur dann können sie zum Beispiel auch andere Grundrechte einfordern, etwa das Recht auf Nahrung, auf Bildung oder auf Gesundheit.«
Deshalb sei die Entwicklungszusammenarbeit im Bereich der Meinungsfreiheit und der Medienentwicklung eine wichtige Säule der deutschen Demokratieförderung: »Sie konzentriert sich darauf, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich eine vielfältige Medienlandschaft entfalten kann, das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Zugang zu Information und Meinungsfreiheit gesichert ist und in dem Medienschaffende frei von Angst und politischem Druck arbeiten können.« So jedenfalls propagiert die deutsche Bundesregierung ihre edlen Ziele auf der Internetseite des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (bmz.de/de/themen/pressefreiheit).
Forum für revolutionäres Gedankengut
Schön wäre es allerdings, wenn die Bundesregierung auch in Deutschland für solche Verhältnisse sorgen würde. Etwa für die Tageszeitung junge Welt, die ein von Regierungsinstitutionen und Parteien, Konzernen und Kirchen unabhängiges Medium ist, das ihren Leserinnen und Lesern Informationen und Analysen anbietet und damit hilft, sich eine eigene Meinung zu bilden. Solange sie dabei keine relevante Reichweite erzielte, ließ man sie weitgehend gewähren. Seit einigen Jahren aber ist das anders: Die junge Welt wird von der Regierung aktiv bekämpft, wie diese im Mai 2021 in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Partei Die Linke im Bundestag freimütig einräumte. Denn diese Zeitung entfalte »für einen nicht unerheblichen Teil der Öffentlichkeit Relevanz und damit eine Wirkmächtigkeit«, heißt es da. Sie biete Vertretern »von linksextremistischen Organisationen im In- und Ausland regelmäßig Gelegenheit, in eigenen Beiträgen und/oder Interviews ihre politischen Positionen zu propagieren«, wirft sie der Zeitung vor. Sie biete damit ein »Forum zur Veröffentlichung revolutionären Gedankenguts«. Und ausgerechnet so eine Tageszeitung ist die einzige im Lande, deren verkaufte Auflage sich in den vergangenen 20 Jahren positiv entwickelt hat. Weshalb der Inlandsgeheimdienst der Regierung (egal in welcher Farbzusammenstellung) etwas dagegen unternimmt, in dem er die junge Welt in ihrem jährlichen Verfassungsschutzbericht als »gesichert linksextremistisch« denunziert. Damit soll ihr »der Nährboden entzogen« werden. Einerseits hat er damit durchaus Erfolg: So lehnen es diverse Werbeträger ab, bezahlte jW-Werbung zu veröffentlichen, weigern sich Druckereien, die junge Welt zu drucken, ziehen Gesprächspartner oder Institutionen Interviews zurück – immer unter Verweis auf die Nennung im Verfassungsschutzbericht, um nur einige Beispiele zu benennen. Andererseits konnte der Geheimdienst auch damit nicht verhindern, dass die junge Welt immer mehr Zuspruch erfährt.
Zur Meinungsfreiheit gehört eben nicht nur, eine eigene zu haben, sondern auch, sie ungehindert darstellen zu können. Pressefreiheit sei die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten, definierte der konservative Journalist Paul Sethe schon 1965. Da gibt es zwar noch andere Medien, aber ihre Verbreitung findet bei den ökonomischen Möglichkeiten ihre Grenzen. So kostet es beispielsweise jeden Monat gut 600.000 Euro, um so eine kleine Zeitung wie die junge Welt herzustellen, zu bewerben und in bescheidenem Umfang zu verbreiten. Um juristischen Widerstand gegen die Angriffe der Bundesregierung finanzieren zu können, wird voraussichtlich eine sechsstellige Summe zusätzlich benötigt. Wenn dann zu all dem wie im Moment die Kosten für Herstellung und Vertrieb einer Tageszeitung geradezu explodieren, werden viele Abonnements zusätzlich benötigt, um über ausreichend Einnahmen zu verfügen. Auch eine Rosa-Luxemburg-Konferenz in der heutigen Dimension kann nur noch durchgeführt werden, wenn dafür weit über 100.000 Euro zur Verfügung stehen (und dies noch ohne Berücksichtigung der unentgeltlichen Unterstützung durch viele Helferinnen und Helfer).
Positiver Bezug auf Rosa Luxemburg
Wenn das gelingt, dort dann aber nicht genehme Meinungen vertreten werden, wird eine solche Veranstaltung von den Medien beschwiegen und von der Regierung bekämpft: So sieht der Verfassungsschutz auch in der Rosa-Luxemburg-Konferenz einen Beleg für die Verfassungsfeindlichkeit der jW, weil sich Konferenz wie Zeitung positiv auf Klassiker des Marxismus-Leninismus beziehen. Und weil die jährliche Durchführung belege, dass die junge Welt nicht nur informieren, sondern auch für Aktionen mobilisieren wolle. Aktuell kommt wohl noch verschärfend hinzu, dass die Zeitung sich nicht nur im Klassenkampf positioniert, sondern auch im Friedenskampf: Sie wirft der Bundesregierung vor, dass ihre Behauptung, dass immer mehr Panzer, Hochrüstung und Krieg zu immer mehr Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit führten, reine Zweckpropaganda sei.
Nährboden entziehen oder erweitern
Wie kann die junge Welt trotzdem auch weiterhin eine Chance haben, sich auf dem knallharten kapitalistischen Markt zu entwickeln? Das kann nur funktionieren, wenn wir gemeinsam die von der Regierung so gefürchtete Wirkmächtigkeit und Relevanz der Zeitung immer weiter ausbauen! Ob und wie gut uns das gelingt, ist recht einfach messbar: An der Zahl der verkauften Einheiten (also an den Verkäufen im Einzelhandel und am Bestand der bezahlten Print- und Onlineabonnements der jW). Das wird zwar über die herkömmlichen Werbemaßnahmen wegen geheimdienstlicher Behinderungen immer schwieriger, aber der wichtigste Werbefaktor stellt bei der jungen Welt das Engagement der bereits vorhandenen Leserinnen und Leser dar: Sie kennen die Vorzüge der Zeitung und Menschen in ihrer persönlichen Umgebung, die sie gut gebrauchen können. Deshalb bitten wir alle, die die jW nutzen, um ein Abo. Und jene, die schon ein Abonnement besitzen, helfen dabei mit, die Zeitung bekannter zu machen. So erweitern wir den »Nährboden«, den wir so dringend brauchen und den uns die Bundesregierung – trotz propagierter Presse- und Meinungsfreiheit – aktiv entziehen will.
Mal sehen, wer sich durchsetzen wird.
Verlag, Redaktion und Genossenschaft
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