»Ich ging von einer gleichen Behandlung aus«
Interview: Marc BebenrothDas Berliner Verwaltungsgericht hat geurteilt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz weiterhin diese Zeitung im jährlichen Verfassungsschutzbericht nennen darf. Sie hatten sich kurz vor dem Urteil vom 18. Juli eher optimistisch zum möglichen Ausgang geäußert. Wie blicken Sie jetzt auf die Entscheidung?
Wenn man sich die Spruchpraxis auch des Bundesverfassungsgerichts anschaut, hätte man davon ausgehen müssen, dass das Gericht anders entscheidet. Zum Beispiel das Urteil gegen Junge Freiheit (rechte Wochenzeitung, jW). Damals wurde die Schwelle viel niedriger angelegt und im Sinne der Pressefreiheit entschieden. Dabei wurde auch argumentiert, dass eine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht für ein Presseorgan schädlich ist und dass das nicht einfach irgendeine Broschüre einer Regierungsbehörde, sondern quasi ein staatlicher Akt ist.
Die junge Welt strebe eine »Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Verständnis« an, in Redaktion und Verlag würden Mitglieder der DKP arbeiten, und mit der jährlichen Rosa-Luxemburg-Konferenz sei man politischer Faktor. Sind das triftige Gründe?
Das Bundesverfassungsgericht hat hier den Rahmen abgesteckt: Einer Ideologie anzuhängen und dieser auch theoretisch nachzugehen, die nicht mehr ganz im Rahmen der Verfassung ist, ist von der Verfassung geschützt.
Es könnte durchaus sinnvoll sein, hier in die nächste Instanz zu gehen. Das Bundesverfassungsgericht zumindest hat bislang immer im Zweifel für die Pressefreiheit, für die Meinungsfreiheit entschieden, selbst dann, wenn es schmerzt. Denken wir nur an die Hetze, Häme, Beleidigungen und Bedrohungen gegenüber Journalistinnen und Journalisten. Auch da legten Gerichte bislang die Meinungsfreiheit sehr weit aus – was im Zweifel der richtige Weg ist. Deswegen finde ich es überraschend, dass das Verwaltungsgericht jetzt so entschieden hat. Auf die schriftliche Begründung wird zu achten sein.
Wo zieht Ihr Verband bei Medien mit einer klaren Ausrichtung die Grenze?
Das tun die Gerichte, und das ist gut so. Man ist immer gut beraten, die persönliche politische Einstellung auszublenden. Dann ist es am gerechtesten, wenn man alle gleich behandelt und die gleichen Grundsätze anlegt. Deswegen war ich ja vor dem 18. Juli davon ausgegangen, dass auch hier eine gleiche Behandlung vorliegt.
Und die Grenze des Journalismus?
Einige segeln hart am Wind, um diese auszuloten. Jetzt könnte man sagen, die junge Welt macht das und tut uns damit allen den Gefallen, dass es bisweilen Reibungspunkte gibt, an denen festgestellt wird, ob eine Grenze überschritten ist oder nicht. Ich finde es gut, dass der rechtliche Rahmen das nicht starr regelt, und ehrlich gesagt auch beruhigend, dass man diese Grenzen ansteuern kann.
Bei der Jungen Freiheit war ein Argument, diese biete einen »Markt der Meinungen«. Der jungen Welt wird dagegen vom Staat vorgeworfen, dies nicht zu tun.
Ein Markt der Meinungen im rechtsextremistischen Spektrum ist spannend, aber wie ich die junge Welt in Erinnerung habe, findet dort Debatte durchaus statt. Jede Zeitung bildet ein gewisses Spektrum ab. Die junge Welt hat sich entschieden, ihr Milieu zu bedienen. Das ist vollkommen legitim.
Juristische Beobachter brachten Unbehagen auch beim Verbot von Compact zum Ausdruck. Wie bewerten Sie den Rückgriff der Bundesregierung auf das Vereinsrecht?
Es gibt Juristen, die sich auf die Pressefreiheit berufen und sagen, das ist ein ziemlich scharfes Schwert, was die Regierung hier gewählt hat. Wer sich die Verbotsverfügung durchgelesen hat, stößt auf erstaunlich konkrete Vorfälle, die nachvollziehbar belegt sind und die Hürden überwinden, wo die Grenze zum Extremismus nicht nur offenbar überschritten, sondern die Grenze zur Gewaltbereitschaft und zum Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung offenbar belegt ist.
Aber stellen wir uns mal vor, das Verbot wurde nicht sauber belegt, dann hätten wir nicht nur den Sieg eines Magazins, was ziemlich fragwürdige Dinge in die Welt setzt und auch unsere freiheitliche Grundordnung angreift. Wir hätten auch eine Regierung, die im Verdacht stehen würde, die Pressefreiheit mit Mitteln der exekutiven Gewalt einzuschränken. Das wäre eine Doppelniederlage für die Demokratie.
Mika Beuster ist Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV)