Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Sa. / So., 21. / 22. Dezember 2024, Nr. 298
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Staat gegen Pressefreiheit

Die BRD will der jungen Welt den »Nährboden entziehen«. Die Zeitung wehrt sich vor Gericht
Von Nick Brauns
Am 18. Juli fand vor dem Verwaltungsgericht Berlin der Prozess »jW gegen BRD« statt

Als einzige Tageszeitung wird die junge Welt seit vielen Jahren im sogenannten Verfassungsschutzbericht des deutschen Inlandsgeheimdienstes als das »bedeutendste und auflagenstärkste Medium im Linksextremismus« aufgeführt. Begründet wird dies damit, dass es sich um eine »eindeutig kommunistisch ausgerichtete Tageszeitung« handele, deren Berichterstattung sich an ihrem marxistischen Selbstverständnis mit einer fundamentalen Kapitalismuskritik orientiere.

Die Geheimdienstaktivitäten bereiten der jungen Welt erhebliche Nachteile im Wettbewerb. So werden ihr mit Verweis auf die Nennung im Geheimdienstbericht etwa das Anmieten von Werbung in Bahnhöfen, im öffentlichen Nahverkehr oder im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verweigert. Auch die redaktionelle Arbeit wird behindert, da Autoren und Gesprächspartner von einer Kooperation abgeschreckt werden und Institutionen Auskünfte verweigern. Solche Attacken auf die journalistischen und ökonomischen Grundlagen der Zeitung sind erklärte Absicht. Es gehe darum, der Zeitung hinsichtlich Relevanz und Wirkmächtigkeit »den weiteren Nährboden entziehen zu können«, erklärte die Regierung im Mai 2021 auf eine parlamentarische Anfrage. Darauf verklage die Verlag 8. Mai GmbH, in der die jW erscheint, im September 2021 die Bundesregierung wegen Verletzung von Grundrechten. Sie stützte sich dabei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das im Falle der weit rechts stehenden Wochenzeitung Junge Freiheit 2005 eine Nennung in Verfassungsschutzberichten als unzulässige Einschränkung der Pressefreiheit gesehen hat. Für die jW soll dieses Urteil allerdings nicht gelten, da es sich bei ihr aus staatlicher Sicht nicht um ein journalistisches Produkt, sondern ebenso wie beim Verlag und der Genossenschaft um »extremistische« Personenzusammenschlüsse mit »umstürzlerischen Zielen« handele.

Eine einstweilige Verfügung hatte das Verwaltungsgericht Berlin im März 2022 zurückgewiesen. Zur Verhandlung in der Hauptsache kam es fast drei Jahre nach Klageeinreichung am 18. Juli 2024 – in der Zeit waren drei neue Verfassungsschutzberichte mit Nennung der jW erschienen. In der mündlichen Urteilsbegründung am Prozesstag wurde die Klage des Verlages abgewiesen.

Die Zeitung sei nicht nur marxistisch, sondern gar marxistisch-leninistisch, behauptete der Richter unter Verweis auf das KPD-Verbotsurteil von 1956. Dabei verstieg er sich zu der absurden Behauptung, »Lenin ist jemand, der die FDGO in energischster Weise bekämpft, indem er eine Einparteiendiktatur in Russland errichtet hat.« Der russische Revolutionsführer starb fast drei Jahrzehnte bevor das Bundesverfassungsgericht das Konstrukt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung prägte.