Aus: Ausgabe vom 19.05.2012, Seite 16 / Aktion
In wessen Interesse?
Von Dietmar Koschmieder
Kombi von Print und Online bringt größten Nutzen
Warum aber schafft es mit der jungen Welt ausgerechnet die finanzschwächste überregionale Tageszeitung, den Bestand an bezahlten Printabos bescheiden zu entwickeln und nennenswert Internetabonnements zu gewinnen? junge Welt hat zwei entscheidende Vorteile: Sie vertritt einen konsequent linken Standpunkt und unterliegt keiner Kapitalverwertungslogik. Wenn Zeitungskonzerne einer Finanzgruppe gehören, sollen sie 15 bis 20 Prozent Rendite abwerfen und sind auch in ihrer inhaltlichen Positionierung nicht frei. junge Welt hat einen klaren und damit erkennbaren Standpunkt, von dem aus sie Informationen auswählt, analysiert, kommentiert. Da wird nicht wie anderswo verschleiert, wer wessen Interessen vertritt. Deshalb ist diese Zeitung nicht austauschbar und deshalb gibt es eine Bereitschaft der Lesenden, sich an den Kosten für Print- wie Onlineausgabe zu beteiligen. Der Nutzwert der Printausgabe ergibt sich allein schon dadurch, daß sie aus der Fülle der täglich einströmenden Informationen eine auf (in der Regel) 16 Seiten beschränkte gegliederte Übersicht sorgfältig ausgewählter Information anbietet. Der Leser kann sich bestens orientieren, findet täglich Kommentar, Nachricht, Bericht, Hintergrund, Kultur und Politik auf festen Plätzen, auf Überflüssiges wird verzichtet. Um sich also eine Tagesübersicht mit erster Bewertung aus linker Sicht zu verschaffen, ist das tägliche Printangebot der jungen Welt unschlagbar. Dieser große Vorteil bedingt gleichzeitig den entscheidenden Nachteil der gedruckten Ausgabe: Wer zusätzliche Informationen braucht, wer ein Thema über mehrere Tage verfolgen, ein persönliches Archiv anlegen, die jW schneller und unabhängig vom Ort nutzen will, wird mit der Onlineausgabe besser bedient. Diese Vorteile des Onlineangebotes wiederum bedingen dessen entscheidenden Nachteil: Im Internet ist es für Macher und Nutzer wesentlich schwieriger, sich auf das Wesentliche zu beschränken. Das führt dazu, daß viele Internetportale ihre Leserinnen und Leser mit einer Fülle von zum großen Teil überflüssigen Informationen, Kommentaren und Spielereien überfluten. Online- wie Printausgaben der jungen Welt bleiben aufgeräumt und übersichtlich, sind sich ergänzende journalistische Produkte. Ihre außerordentliche Qualität verdanken sie dem Umstand, daß ihre Macher das Geschehen im Lande und weltweit unabhängig von Parteien, Kirchen und Konzernen bewerten können und dabei mit professionellen journalistischen Mitteln arbeiten. Sie beschreiben, was tatsächlich ist – nach Ferdinand Lassalle und Rosa Luxemburg die revolutionärste Tat schlechthin. Zumindest für eine linke Tageszeitung.
Aber auch junge Welt ist abhängig von ihren Geldgebern, wenn sie auf dem knallharten Markt gegen alle widrigen Umstände existieren und Print- wie Onlineprodukt weiterentwickeln will. Unabhängig kann die junge Welt nur bleiben, wenn diese Geldgeber vor allem die Nutzer der Zeitung sind. Deshalb entscheidet über Existenz und Entwicklung der jungen Welt, daß alle Leserinnen und Leser erkennen, daß ohne ihr Abonnement linker Journalismus nicht finanziert werden kann. Und sich dabei nicht zwischen Print- und Onlineabo, sondern für das ganze Produkt mit beiden Versionen entscheiden. Verlag und Redaktion werden in den kommenden Monaten den Nutzwert der Zeitung erhöhen, in dem Vorteile von Print und Online optimal miteinander kombiniert werden. Heute und erst recht in Zukunft haben jene Leserinnen und Leser den größten Nutzen, die uneingeschränkt auf Online und Print zugreifen können.
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