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Aus: Ausgabe vom 19.05.2012, Seite 16 / Aktion

In wessen Interesse?

Mit schlechterem Journalismus und Kommerz im Netz zu besseren Geschäften. junge Welt will linken Journalismus entwickeln
Von Dietmar Koschmieder
Kombi von Print und Online bringt größten Nutzen
Kombi von Print und Online bringt größten Nutzen
Mit Ausnahme von junge Welt haben alle überregionale Tageszeitungen in den letzten zehn Jahren an Aboauflage verloren, der Verkauf am Kiosk ging teilweise noch dramatischer zurück. Die Ursachen sind vielfältig. Die Printbranche »leidet darunter, daß viele Leser ins Internet abgewandert sind«, schreibt die Berliner Zeitung am Freitag. Allerdings agieren die Zeitungen auch im Internet nicht sehr erfolgreich, was das Geschäft mit dem Inhalt betrifft: Keine konnte die Verluste aus Abo- und Kioskverkauf nur annähernd über das Internetgeschäft ausgleichen. Verlage geben zwar riesige Summen für immer neue Onlinexperimente aus, die daraus gewonnenen Erkenntnisse beschränken sich in der Regel aber darauf, was so alles nicht geht. Welche Interessen damit verfolgt werden, beschreibt die Berliner Zeitung ganz offen: »Wie läßt sich mit Journalismus in Zukunft Geld verdienen? Welche Zukunft haben angesichts schrumpfender Auflagen gedruckte Zeitungen, und wie lassen sich online bisher kostenlos angebotene Inhalte kommerzialisieren?« Bis vor einigen Jahren wurde das Hauptgeschäft mit Anzeigen gemacht. Hier verlagern sich Umsätze aber auf andere Medien. Also wird stärker auf Erlöse aus dem Abo- und Kioskverkauf gesetzt, werden Preise erhöht, Kosten reduziert. Weil Journalismus Rendite abwerfen soll, nutzt man häufiger Pauschalware der Agenturen, ersetzt festangestellte durch freie Journalisten, faßt Redaktionen zusammen. So gab es noch vor zehn Jahren bei Springer eigenständige Redaktionen für Morgenpost, Die Welt und Welt am Sonntag. »Begleitet von einem massiven Stellenabbau wurden die drei Redaktionen zu einer einzigen Zentralredaktion zusammengelegt. Mittlerweile produziert sie (…) zwölf Titel« beschreibt die Berliner Zeitung einen Zustand, von dem sie auch selbst betroffen ist, weil auch im Hause Dumont redaktionelle Leistung gleich für mehrere Titel genutzt wird. Die Konsequenzen: journalistische Qualität sinkt, Zeitungen werden austauschbar. Und nur deshalb kann das Internet zur gefährlichen Konkurrenz für Tageszeitungen werden: Wenn man dort und anderswo mit pauschalen Nachrichten zugeschüttet wird, legt man für solche Informationen auch kein Geld mehr hin. Warum soll man sich die eine oder andere Zeitung kaufen, wenn deren Inhalte sich nur noch in der Art der optischen Aufbereitung unterscheiden, ansonsten aber die gleichen Blickwinkel, Interessen, Gedanken angeboten werden? Die Sparkonzepte lösen die Probleme nicht, sie verschärfen sie. Die verkaufte Auflage sinkt weiter.

Warum aber schafft es mit der jungen Welt ausgerechnet die finanzschwächste überregionale Tageszeitung, den Bestand an bezahlten Printabos bescheiden zu entwickeln und nennenswert Internet­abonnements zu gewinnen? junge Welt hat zwei entscheidende Vorteile: Sie vertritt einen konsequent linken Standpunkt und unterliegt keiner Kapitalverwertungslogik. Wenn Zeitungskonzerne einer Finanzgruppe gehören, sollen sie 15 bis 20 Prozent Rendite abwerfen und sind auch in ihrer inhaltlichen Positionierung nicht frei. junge Welt hat einen klaren und damit erkennbaren Standpunkt, von dem aus sie Informationen auswählt, analysiert, kommentiert. Da wird nicht wie anderswo verschleiert, wer wessen Interessen vertritt. Deshalb ist diese Zeitung nicht austauschbar und deshalb gibt es eine Bereitschaft der Lesenden, sich an den Kosten für Print- wie Onlineausgabe zu beteiligen. Der Nutzwert der Printausgabe ergibt sich allein schon dadurch, daß sie aus der Fülle der täglich einströmenden Informationen eine auf (in der Regel) 16 Seiten beschränkte gegliederte Übersicht sorgfältig ausgewählter Information anbietet. Der Leser kann sich bestens orientieren, findet täglich Kommentar, Nachricht, Bericht, Hintergrund, Kultur und Politik auf festen Plätzen, auf Überflüssiges wird verzichtet. Um sich also eine Tagesübersicht mit erster Bewertung aus linker Sicht zu verschaffen, ist das tägliche Printangebot der jungen Welt unschlagbar. Dieser große Vorteil bedingt gleichzeitig den entscheidenden Nachteil der gedruckten Ausgabe: Wer zusätzliche Informationen braucht, wer ein Thema über mehrere Tage verfolgen, ein persönliches Archiv anlegen, die jW schneller und unabhängig vom Ort nutzen will, wird mit der Onlineausgabe besser bedient. Diese Vorteile des Onlineangebotes wiederum bedingen dessen entscheidenden Nachteil: Im Internet ist es für Macher und Nutzer wesentlich schwieriger, sich auf das Wesentliche zu beschränken. Das führt dazu, daß viele Internetportale ihre Leserinnen und Leser mit einer Fülle von zum großen Teil überflüssigen Informationen, Kommentaren und Spielereien überfluten. Online- wie Printausgaben der jungen Welt bleiben aufgeräumt und übersichtlich, sind sich ergänzende journalistische Produkte. Ihre außerordentliche Qualität verdanken sie dem Umstand, daß ihre Macher das Geschehen im Lande und weltweit unabhängig von Parteien, Kirchen und Konzernen bewerten können und dabei mit professionellen journalistischen Mitteln arbeiten. Sie beschreiben, was tatsächlich ist – nach Ferdinand Lassalle und Rosa Luxemburg die revolutionärste Tat schlechthin. Zumindest für eine linke Tageszeitung.


Aber auch junge Welt ist abhängig von ihren Geldgebern, wenn sie auf dem knallharten Markt gegen alle widrigen Umstände existieren und Print- wie Onlineprodukt weiterentwickeln will. Unabhängig kann die junge Welt nur bleiben, wenn diese Geldgeber vor allem die Nutzer der Zeitung sind. Deshalb entscheidet über Existenz und Entwicklung der jungen Welt, daß alle Leserinnen und Leser erkennen, daß ohne ihr Abonnement linker Journalismus nicht finanziert werden kann. Und sich dabei nicht zwischen Print- und Onlineabo, sondern für das ganze Produkt mit beiden Versionen entscheiden. Verlag und Redaktion werden in den kommenden Monaten den Nutzwert der Zeitung erhöhen, in dem Vorteile von Print und Online optimal miteinander kombiniert werden. Heute und erst recht in Zukunft haben jene Leserinnen und Leser den größten Nutzen, die uneingeschränkt auf Online und Print zugreifen können.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

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