Jauch, Joop und Verloren in Potsdam
Von Rüdiger GöbelDie gute Nachricht zum Weltfriedenstag vorneweg: Im Sommer 2016 wird auf die Potsdamer Garnisonkirche ein Sprengstoffattentat verübt, der im Bau befindliche Kirchturm stürzt in sich zusammen. So weit, so schön. Doch unter den Trümmern liegt leider ein junger Psychotherapeut, der auch noch zu den Förderern des »Kulturdenkmals« gehörte. Kurz davor wird dem Reporter und Literaturkritiker Justus »Just« Verloren ein Buchmanuskript zugespielt, in dem der Anschlag en detail beschrieben wird – allerdings ohne Leiche. Der 35jährige betreibt den Blog »Verloren in Potsdam«, der sich kritisch mit dem Wiederaufbau der Garnisonkirche auseinandersetzt.
Launig-sarkastisch legt Just mit einem Blogeintrag am 1. Juni 2016 los: »Liebe Freunde, fast siebzig Jahre lang defilierten wir trauernd am Grab unserer Garnisonkirche vorbei. Ich korrigiere mich: 23 davon hatten wir wenigstens noch eine Ruine, und – Dentisten werden mir zustimmen – solange eine Ruine steht, besteht Hoffnung auf Sanierung. Ach, wäre Walter Ulbricht doch Zahnarzt gewesen! Aber nein, er musste ausgerechnet Staatsratsvorsitzender werden – ein Beruf, den er mangelhaft in der Sowjetunion gelernt hatte, dafür umso intensiver den Umgang mit Sprengstoff. Bums, und noch mal bums (nachdem der Glockenturm beim ersten Mal strörrisch geblieben war), und aus war es mit einem der ›bedeutendsten Wahrzeichen Potsdams‹. Am 23. Juni 1968 hatte das Volk in Potsdam über den preußischen Klerus gesiegt.« Gott sei Dank gebe es aber eine »lokale Erinnerungskultur«, schreibt Just hämisch weiter. »Und deren Hüter haben ihren Portemonnaies die letzten Groschen entnommen, um sich und uns die Identität zurückzukaufen, die wir so lange entbehren mussten. Ihretwegen treten wir nun endlich wieder aus der Körperlosigkeit und werden, was wir einst waren: Ein stolzer barocker Mittelfinger im Herzen Europas.«
Doch kurz nach der Einweihung bricht der stolze Preußenturm zusammen. Mit seiner neuen Flamme Magda geht Hobbyermittler Just der Sache auf den Grund. Auch seine Internetfollower müssen mit ran – Chatprotokolle sind kursiv gesetzt.
Die Autorin Christine Anlauff hat mit »Der Fall Garnisonkirche« einen charmanten »Verloren in Potsdam«-Krimi geschrieben, in dem neben schrulligen Nachbarn und kauzigen Kommissaren selbstverständlich auch die Millionäre und Kirchenförderer Günther Jauch und Wolfgang Joop nicht fehlen dürfen. Der – realen – Bürgerinitiative »Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche« wird mit dem Buch ein kleines Denkmal gesetzt. In den Reihen ihres fiktiven Pendants, so viel sei verraten, findet sich kein Sprengmeister.
Christine Anlauff: Der Fall Garnisonkirche. Ein Verloren-in-Potsdam-Krimi. be.bra-Verlag, Berlin 2015, 272 Seiten, 9,95 Euro
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vom 29.08.2015