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Aus: Ausgabe vom 10.08.2019, Seite 16 / Aktion
In eigener Sache

junge Welt hält Kurs

Mit Kampagne soll politischer Richtungswechsel erzwungen werden
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Kampagnen gegen die ­junge Welt sind nicht gerade selten. Von der jüngsten erfuhren wir erstmals Mitte Mai dieses Jahres: Diether Dehm, Bundestagsabgeordneter der Partei Die Linke, plane einen Angriff auf diese Zeitung und suche dafür Unterstützung. Hintergrund: Die jW-Redaktion hatte Artikelangebote von ihm abgelehnt, zuletzt die Besprechung eines Buches des Trivialschriftstellers John Grisham. Dehms Plan wurde umgesetzt, weshalb am 7. Juni in dieser Zeitung kurz vermeldet wurde, dass ein anonymes Pamphlet gegen die junge Welt im Internet kursiere – mit einer Reihe absurder Anschuldigungen. Zum Beispiel wurde behauptet, dass sich in der jW die Befürworter eines Regime-Change in Venezuela wachsender Beliebtheit erfreuten. Schon da war das Muster des Angriffs erkennbar: Der Versuch, die Missachtung Dehms als potentiellen Autor zu skandalisieren, wird garniert mit abstrusen Vorwürfen, um bessere Wirkung zu erzielen. Einen Mitstreiter bei der Organisation des Angriffs fand Dehm in Klaus Hartmann, dem Vorsitzenden des Freidenker-Verbandes. Mittlerweile haben beide das als »Appell« bezeichnete Schreiben Verlag und Redaktion übermittelt. Wenig überraschend, dass eine von vier Fragen darin lautet: »Ist es zutreffend (und warum), dass Diether Dehm (Künstler, MdB) generell nicht mehr veröffentlichen darf?«

Es bleibt aber nicht bei dieser Frage, die ja recht leicht zu beantworten wäre. Um mehr Resonanz zu erreichen, wird die Gelegenheit zum Anlass genommen, einen Generalangriff auf die junge Welt zu starten: In ihr werde »ausgiebig gegen Sahra Wagenknecht geschossen«! Kollegen in der Redaktion würden kaltgestellt, weil sie eine andere Ansicht zu den Montagsmahnwachen hätten! In der jungen Welt sei es zu tiefen Zerwürfnissen mit langjährigen Unterstützern, zu Zurückweisungen und Verfälschungen von Artikeln gekommen! Diejenigen, die nicht dem Kurs der Zeitung entsprächen, würden ausgegrenzt! Neben der Beantwortung der vier Fragen wird gefordert, dass Autoren in der jungen Welt zu Wort kommen sollen, die sich positiv darauf beziehen, dass der Kampf des Proletariats zunächst ein nationaler sei, dass es um die nationale und soziale Befreiung des deutschen Volkes gehe und dass auch in Deutschland die Parole Fidel Castros »Vaterland oder Tod« gelte.

Das zielt auf nicht weniger als einen Kurswechsel bei der jungen Welt, stellt auch Klaus Hartmann recht freimütig in einer E-Mail an »liebe Genossinnen und Genossen« fest, mit der er um Unterschriften für den Appell bittet. »Es besteht nicht die Illusion, damit in einem Anlauf einen Kurswechsel zu erreichen«, meint Hartmann. Und weiter: »Eine Reihe potentieller Unterzeichner hat mit der Begründung abgelehnt: Alles vergeblich – Hopfen und Malz verloren – schon längst übernommen.« Was Hartmann verschweigt: Viele der Angesprochenen haben sein und Dehms Anliegen aus inhaltlichen Gründen zurückgewiesen und uns darüber informiert. Exemplarisch sei hier folgende Reaktion zitiert: »Diether, Lieber, hast Du eine Meise, diesen Aufruhr gegen die junge Welt in Gang zu setzen? Mit Verlaub, ich stehe da nicht auf Deiner Seite! Meine Übereinstimmung mit einzelnen Artikeln ist selbstverständlich unterschiedlich. Aber Du vergaloppierst Dich da in unakzeptablem Maße. Wie unpolitisch denkst Du eigentlich? Das ist Meilen unter Gysi. Und es ist das Gegenteil von Mut. Nebenbei: Da Du ausgerechnet diesen wirklich schwachen Grisham-Text zum Aufhänger machst, ist das Ganze doppelt lächerlich. Weil wir gerade diesen Drecks-D-Day haben: Nicht mal ein Imperialist und Kriegsverbrecher wie Churchill kam im heißen Kampf auf die Idee, Stalin anzupissen. Und ich denke, wir haben heute ziemlich heißen Kampf.«

Viel mehr müsste eigentlich zum Vorgang nicht gesagt werden. Weil es hier aber nicht nur um eine von vielen Dehm-Hartmann-Possen geht, sondern eine Reihe grundsätzlicher Fragen aufgeworfen werden, haben Verlag, Redaktion und Genossenschaft der jungen Welt entschieden, mit einer Erklärung auf den Appell zu reagieren und beide Dokumente Interessierten im Internet zur Verfügung zu stellen.

Verlag, Redaktion, Genossenschaft junge Welt

Der Appell und unsere Antwort finden sich auf https://www.jungewelt.de/antwort-appell

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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