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Aus: Ausgabe vom 18.11.2023, Seite 10 / Feuilleton
Documenta

Im Schaufenster

Nach einer Diskussion um Antisemitismusvorwürfe sind alle sechs Mitglieder der Findungskommission für die künstlerische Leitung der Weltkunstausstellung Documenta in Kassel zurückgetreten. Die vier verbleibenden Mitglieder hätten am Donnerstag ihren Rücktritt erklärt, teilte die Documenta am selben Abend mit. Die Findungskommission sollte bis Ende 2023 oder Anfang 2024 einen Kurator, eine Kuratorin oder ein Kollektiv für die kommende Ausgabe im Jahr 2027 vorschlagen. Nun soll der Findungsprozess neu begonnen werden.

Zunächst war der indische Schriftsteller und Kurator Ranjit Hoskoté zurückgetreten, wie die Documenta am 13. November mitgeteilt hatte. Auch die israelische Künstlerin Bracha Lichtenberg Ettinger legte ihr Amt nieder – offenbar wegen der aktuellen Situation im Nahen Osten. Hoskoté war in die Kritik geraten, weil er 2019 eine Petition mit dem Titel »BDS India« unterzeichnet hatte. BDS steht für »Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen«. Die Kampagne ruft zum Boykott des Staates Israel und israelischer Produkte wegen der Besatzung der Palästinensergebiete auf. Hoskoté habe deutlich gemacht, dass er die Ziele des BDS ablehne, hatte die Documenta mitgeteilt. Auf die »Erwartung einer unmissverständlichen Distanzierung« hin habe er dann seinen Rücktritt erklärt.

Der Arbeitsprozess der Kommission sei unter dem Eindruck der Massaker der Hamas, dem zunehmenden Antisemitismus in Deutschland und den polarisierten Debatten darum immer mehr unter Druck geraten, teilte die Documenta am Donnerstag mit. Es sei erwogen worden, nach den ersten beiden Rücktritten mit den verbliebenen Mitgliedern weiterzumachen, die Kommission aufzustocken, die Arbeit auszusetzen oder ganz neu aufzulegen. In »einer äußerst schwierigen Entscheidungsfindung« hätten sich die vier verbliebenen Mitglieder entschlossen, nicht mehr teilhaben zu wollen.

Nun scheint sogar eine Verschiebung möglich. Die 16. Ausgabe ist für 2027 in Kassel geplant. Die Documenta findet regulär alle fünf Jahre statt. »Die Frage nach dem Zeitpunkt steht in der aktuellen Situation nicht an erster Stelle«, sagte der Geschäftsführer der Documenta, Andreas Hoffmann, am Freitag der dpa. Erster Schritt sei, das »Betriebssystem« der Documenta neu zu starten. Derzeit werde mit Hilfe externer Experten die Organisationsstruktur unter die Lupe genommen. Erst anschließend könne der Findungsprozess neu beginnen.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), die seit den Skandalen um die Documenta 15 im vorigen Jahr einen stärkeren politischen Einfluss auf die Ausstellung durchsetzen will, begrüßte das Vorgehen: Die Documenta sei »auch ein Schaufenster für Deutschland in der Welt« sagte Roth am Freitag. Es brauche nun »einen glaubwürdigen Neustart«. (dpa/jW)

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