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Aus: Ausgabe vom 20.06.2024, Seite 2 / Inland
Linke Debatte

»Es geht um den Kampf außerhalb der Parlamente«

Nach der EU-Wahl: Die deutsche Linke muss mit der Parlamentsfixiertheit brechen. Ein Gespräch mit Patrik Köbele
Interview: Nico Popp
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Selten auf der Straße: Teilnehmer der Friedensdemonstration am Brandenburger Tor in Berlin (25.11.2023)

Die DKP hat – zusammen mit zwei anderen Wahlvorschlägen, die als »marxistisch-leninistisch« und »sozialistisch« in Erscheinung getreten sind – bei der Wahl des EU-Parlaments die wenigsten Stimmen von allen Parteien erhalten und im Vergleich zu 2019 sogar noch Stimmen verloren. Ein weiterer Beleg dafür, dass die politische Reichweite kommunistischer Parteien in Deutschland am Nullpunkt angekommen ist?

Ich würde politische Reichweite und Wahlergebnis nicht unbedingt gleichsetzen. Nicht, weil ich aus einem schlechten Wahlergebnis Gold machen will. Die Reichweite der DKP ist einfach größer. Als Partei haben wir in den vergangenen zwei Jahren zum Beispiel einen Beitrag geleistet, zu verhindern, dass Teile der Friedensbewegung dieses Landes auf einen Pro-NATO-Kurs einschwenken. Das halte ich schon für eine wichtige Sache. Es ist noch nicht lange her, da hatten wir eine Beratung mit unserer niederländischen und luxemburgischen Schwesterpartei. Beide haben berichtet, dass es in diesen Ländern im Grunde keine Friedensbewegung mehr gibt, weil diese Strukturen jetzt NATO-Positionen vertreten.

Befragungen zeigen, dass das Thema Frieden am 9. Juni für viele Wähler sehr wichtig war. Gerade Parteien aber, die mehr oder weniger eng mit der klassischen Friedensbewegung verbunden sind, haben sehr schlecht abgeschnitten. Und diese Friedensbewegung ist unverändert schwach. Wie kann man das erklären?

Die Friedensfrage hat im Massenbewusstsein eine große Bedeutung. Die regierenden Kriegstreiberparteien wurden am 9. Juni abgestraft. Aber davon profitierten eben vor allem die Unionsparteien und die AfD, die beide mitnichten für eine Alternative zu Krieg und Aufrüstung stehen. Es liegt eine tiefe Widersprüchlichkeit in diesem Wahlergebnis. Hier sehen wir im Grunde immer noch den alten politischen Mechanismus: Man straft die Regierungsparteien ab, indem man die vermeintliche Opposition wählt. Obwohl diese Opposition ebenfalls für die Politik steht, die man abstrafen will.

Diese Oppositionsstimmung fächert sich auf. Sie wird nicht komplett von der Union eingefangen und integriert, sondern geht zu großen Teilen nach weiter rechts, zum kleineren Teil Richtung BSW. Eine sozialistische Option fehlt. Das muss aber nicht so sein: In Belgien ist die Partei der Arbeit sehr erfolgreich.

Dass Protest und Widerspruch in Deutschland überwiegend nach rechts gehen, hängt damit zusammen, dass die vorhandenen Massenorganisationen der Arbeiterbewegung in diesem Land weitgehend in die Krisenpolitik der Herrschenden eingebunden sind. Oppositionelle Stimmungen werden nicht vom Magneten einer kämpfenden Arbeiterbewegung angezogen, weil es den nicht gibt. Diejenigen, die sich von der Demagogie der Kriegstreiberparteien nicht haben einfangen lassen, haben BSW gewählt. Diese Partei ist in der Friedensfrage stabil, aber zum Beispiel auch ungeheuer sozialpartnerschaftlich, in der Migrationsfrage latent nationalistisch. Die belgische Partei der Arbeit gewinnt ihre Stärke daraus, dass sie seit langem ihre Nützlichkeit für die Arbeiterklasse in vielen Bereichen unter Beweis stellt. Sie ist auf Feldern aktiv, auf denen die DKP aufgrund ihrer Schwäche gar nicht agieren kann.

Die Wahl hat auch gezeigt, dass sich die Existenzkrise der Partei Die Linke verschärft. Die Wählerbasis gerade im Osten, die schon seit vielen Jahren schrumpft, scheint nun regelrecht zu zerfallen. Wie geht die DKP damit um? Lange Zeit war ja oft diese Partei gemeint, wenn von linker Politik in Deutschland gesprochen wurde.

Diesen Alleinvertretungsanspruch, der im Parteinamen dieser politisch integrierten und parlamentsfixierten Partei zum Ausdruck kommt, fanden wir schon immer arrogant und auch inhaltlich falsch. Gleichwohl ist es so, dass einzelne Akteure in dieser Partei eine gute Rolle gespielt haben. Ich war gerade in Stuttgart bei der gewerkschaftlichen Friedenskonferenz, wo das erneut zu sehen war. Das BSW hat da leider mit Abwesenheit geglänzt. Auch bei dieser neuen Partei zeichnet sich eine Parlamentsfixierung ab. Wenn die politische Linke in Deutschland es nicht schafft, ein anderes Verhältnis zum Kampf außerhalb der Parlamente zu finden, werden wir die Kriegspolitik nicht stoppen können.

Was tut die DKP dafür?

Wir können angesichts unserer organisatorischen Schwäche nur einen kleinen Beitrag leisten. Wir versuchen, überall da, wo wir aktiv sind, die Erkenntnis hineinzutragen, dass es um außerparlamentarische Bewegung geht.

Patrik Köbele ist Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei

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  • Leserbrief von Bernd Jacoby aus Wiesbaden (20. Juni 2024 um 15:24 Uhr)
    Hat der DKP-Vorsitzende da vielleicht übersehen, dass zwei sehr große Antikriegsdemonstrationen (ganz außerparlamentarisch) nach Beginn des Ukraine-Krieges wesentlich durch Sahra Wagenknecht initiiert waren? Viel Wortgeklingel ohne jemals die Frage zu beantworten, warum die DKP nicht aus der beklagten ideologischen Verwirrung links produktiv irgendeine Ernte einfahren kann, seine Aufgabe seit vielen Jahren.
    • Leserbrief von Wolfgang Doster aus Erding (21. Juni 2024 um 10:29 Uhr)
      Warum hat die DKP keine Ernte eingefahren? Erstens: Links und kommunistisch wurde durch die Partei die Linke gründlich desavouiert, die Organisationen der Arbeiterschaft haben sich voll in die Kriegslogik einbinden lassen. Zweitens hat Wagenknecht viele potentielle Wähler der DKP abgesaugt, mit ihrer größeren Popularität. Was Krieg und Frieden angeht, ist die DKP in ihrer Analyse dem BSW weit voraus. Wagenknecht hat nicht nur die falsche These von der Annexion der Krim im Bundestag vertreten, die Krim wurde von der Ukraine im Jahre 1996 gewaltsam annektiert laut Wikipedia, sondern sie vertritt bis heute die NATO-Parole vom russischen Angriffskrieg. Damit wurde die Friedensbewegung für die NATO geöffnet und deren Waffenlieferungen gerechtfertigt. Die DKP hat ein totales Abgleiten der Friedensbewegung in russophobes Verhalten verhindert. Wenn es Sevim Dagdelen nicht gäbe, wäre die Position des BSW nicht einmal antimilitaristisch. Die DKP hat auch sofort auf die Eskalation des Ukraine-Kriegs auf Kernrussland mit einem Aufruf reagiert. Es wäre die Aufgabe einer Friedenspartei gewesen, auf diese Eskalation mit einem Boykottaufruf der Europawahl zu reagieren (lumpenpazifisten.de). So verlief alles im Sande, zwei Drittel haben Kriegsparteien gewählt. Für V. Orban war dies eine Wahl zwischen Krieg und Frieden in Europa, Wagenknecht hat das immerhin aufgegriffen. Aber der serbische Präsident Vucic sieht einen Krieg in Zentraleuropa gegen Russland für unausweichlich, eine Frage von Monaten, nach der Fußball-EM, aber vor Bidens Nichtwiederwahl.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim Seider aus Berlin (21. Juni 2024 um 06:52 Uhr)
      Ich halte es nicht für falsch, dass Patrick Köbele sowohl auf das positive Moment hinweist, das die BSW darstellt, als auch auf die Schwächen, die dieses Bündnis hat. Bei der Berliner Kundgebung zum EU-Wahlkampf konnte ich durchaus feststellen, dass das BSW durchaus bereit ist, gerade in der sozialen Frage dazuzulernen. Warum sollte es dann schlecht sein, wenn Patrick Köbele darauf hinweist, dass es auch auf anderen Feldern noch einiges zu lernen gibt? Habe ich die Kundgebung richtig »gelesen«, war das doch auch die Meinung vieler anderer Teilnehmer.

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