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Aus: Ausgabe vom 21.06.2024, Seite 2 / Inland
Gefangenensolidarität

»Wir lassen uns nicht abschrecken«

JVA Vechta: Besuch bei Daniela Klette endet mit einer drohenden Vernehmung ohne Vorladung. Ein Gespräch mit Rosa Sonntag
Interview: Ariane Müller
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Das Prinzip von Überwachen und Strafen wollen manche offenbar auch auf Besucherinnen ausdehnen (Symbolbild)

Sie und Ihr Bekannter, der auf eine Beatmungsmaschine angewiesen ist, haben vor kurzem Daniela Klette in der JVA Vechta besucht. Ihr wird vorgeworfen, früher ein Mitglied der Roten Armee Fraktion, RAF, gewesen zu sein. Wie waren die Bedingungen, unter denen der Besuch stattfand?

Nach der Ausweiskontrolle beim Empfang wurden wir in einen Raum zur Leibesvisitation geführt. Ein JVA-Beamter belehrte uns: Keine Umarmung mit Frau Klette, nur die Hand geben. Alle Gegenstände wanderten in ein Schließfach, von dem wir den Schlüssel ausgehändigt bekamen. Dann wurde eine Leibesvisitation durchgeführt und das Beatmungsgerät meines Mitbesuchers sehr genau untersucht.

Frau Klette war bereits im Besucherraum. Wir schüttelten uns sehr herzlich die Hände und nahmen am Tisch gegenüber Platz. In dem geräumigen Zimmer befanden sich ein BKA- und ein LKA-­Beamter, die Notizen machten. Der Besuch wurde videoüberwacht. Im angrenzenden Raum mit geöffneter Glasscheibe hielten sich weitere Beamte vom BKA und der JVA auf.

Was ist Ihnen nach dem Besuch widerfahren?

Nachdem die Besuchszeit von einer Stunde herum war, wurde Frau Klette von einer JVA-Beamtin hinausgeführt. Wir wurden vom BKA gefragt, ob wir noch etwas bleiben können für eine von der Staatsanwaltschaft angeordnete Vernehmung.

Das lehnten wir ab und wollten sofort gehen. Wir fanden das unverschämt, nach einem Gefangenenbesuch ohne Vorladung polizeilich von der Staatsanwaltschaft angeordnet vernommen zu werden. Wenn wir es ablehnten, müssten wir damit rechnen, vorgeladen zu werden, entgegnete das BKA.

Wir bestanden beharrlich darauf, zu gehen. Der BKA-Beamte müsse das erst mit der Staatsanwaltschaft telefonisch abklären. Er betonte aber: »Wir werden jetzt hier keine Gewalt anwenden.« Wie nett! Man ließ uns zunächst nicht gehen. Nachdem der BKA-Beamte von seinem Telefonat zurückkam, drohte er uns mit einem von der Staatsanwaltschaft verhängten Bußgeld, sollten wir jetzt die Vernehmung verweigern. Wir bestanden auf unserem Recht, endlich gehen zu dürfen und verließen schließlich die JVA mit den Worten: »So werden Sie uns nicht los. Wir lassen uns nicht abschrecken. Wir werden weiterhin Frau Klette besuchen. Jetzt erst recht!«

Die Kriminalbeamten fragten zum Schluss noch erfolglos nach der Telefonnummer meines Mitbesuchers, angeblich um einen Vernehmungstermin zu verabreden. Meine Telefonnummer ist der JVA sowie dem BKA zwecks Absprachen für den Besuch bekannt.

Was werden Sie unternehmen?

Wir haben über verschiedene Netzwerke ein Besuchsprotokoll verbreitet, um eine möglichst große Öffentlichkeit darüber herzustellen. Unsere Bemühungen verfolgen nun das Ziel, diese abschreckenden und unverschämten Maßnahmen ins Leere laufen zu lassen.

Sie haben sicherlich auch schon einen Anwalt kontaktiert. Was sagt Ihr Rechtsbeistand dazu? War das schon Freiheitsberaubung oder Nötigung?

Weder die Staatsanwaltschaft noch die Polizei können jemanden zwingen, Zeugenaussagen zu machen. Dazu müsste erst bei Gericht Zwangsgeld oder Erzwingungshaft beantragt werden.

Nötigung bzw. Freiheitsberaubung setzt einen Sachverhalt voraus, der hier strittig ist. Wir wurden nicht länger als zehn Minuten festgehalten. Das ist eher zu kurz. Die Androhung des Bußgeldes ist etwas anderes. Wir klären nun mit unseren Anwälten ab, ob wir deshalb Strafanzeige erstatten oder eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen.

In letzter Zeit arbeitet die Staatsanwaltschaft Verden wieder verstärkt mit Zeugenvorladungen. Wie schätzen Sie das ein?

Das BKA hatte für eine Vernehmung alles vorbereitet. Es lagen unausgefüllte Vernehmungsprotokolle vor, es hieß, ein Arzt stünde bereit für meinen Mitbesucher mit dem Beatmungsgerät, falls es Probleme geben sollte und selbst der Akku des Geräts könne geladen werden. Wie zuvorkommend! Sie rechneten scheinbar ernsthaft damit, dass wir uns darauf einlassen.

Die Ermittlungsbehörden sammeln alle Infos, die sie kriegen können, um diese gegebenenfalls gegen Daniela verwenden zu können.

Rosa Sonntag (Name geändert) ist aktiv in der Friedensbewegung

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gion Honegger aus H. M. Zürich/Schweiz (21. Juni 2024 um 03:28 Uhr)
    Bezugnehmend auf den Leserbrief zum vorherigen Interview »Sie ist in eine andere Zelle verlegt worden«, das auch in diesem Artikel verlinkt ist: Herr Pfannenschmidt, im Artikel geht es doch in erster Linie um die repressive Art, wie die Betriebsrätin für ihre Solidaritätsaktivität für die Gefangene Daniele Klette behandelt wird. Ob diese Repression eine positive Art ist, um Sympathie für diesen Staat zu empfinden, kann ziemlich klar mit: Nein! beantwortet werden. Es ist im Gegenteil dermaßen erschreckend – ein faktisches Berufsverbot für eine legale Aktivität! -, dass ich Sympathie für die jW empfinde, dass sie darüber berichtet. Denn nur so erfahre ich, wie dieser Staat und seine Behörden mit ihm nicht genehmen Bürger:innen umgeht. Und dass sich Menschen dagegen wehren und sich nicht abschrecken lassen. Das ist doch überaus positiv und sympathisch. Obwohl es im Artikel in keiner Zeile um die RAF selbst geht, fragen Sie nach einem positiven Tun dieser Organisation. Nun, da können Sie ja das Material und Analysen sichten, dass die RAF über Jahre hinweg veröffentlicht hat: Stellungnahmen gegen den von den USA auch vom Territorium der BRD geführten völkerrechtlich illegalen und durch viele Kriegsverbrechen geprägten Vietnamkrieg, Analysen zum Kapitalismus und Imperialismus, ausführliche Stellungnahmen gegen die Verstrickung – auch personeller Art, z. B. in der Person des entführten und später erschossenen Hans-Martin Schleyers – der BRD mit dem Nazistaat, Analysen zum Kapitalismus und Imperialismus und den antikolonialen/antiimperialistischen Befreiungskämpfen in der »Dritten Welt«. Übrigens: Damals wurde der Antiimperialismus gegen die US-Kriegsverbrechen als »Antiamerikanismus« gebrandmarkt, heute der Antizionismus und die Proteste gegen Kriegsverbrechen des israelischen Staates als »Antisemitimus«. Zufall?

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