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Aus: Ausgabe vom 21.06.2024, Seite 4 / Inland
Geld für »Verfassungstreue«

Hebel gegen Oppositionelle

Berlin: Justizsenatorin für neue Förderregelung. Verfassungsschutz soll Antragsteller auf »Verfassungs- und Demokratiefeindlichkeit« überprüfen
Von Kristian Stemmler
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Felor Badenberg (CDU, l.) im Berliner Abgeordnetenhaus (20.6.2024)

Im Berliner Senat geht die Suche nach einem Weg weiter, um unliebsamen Zuwendungsempfängern den Geldhahn zuzudrehen. Wer öffentliche Fördergelder beantragt, soll künftig bei »entsprechenden Anhaltspunkten« mit einer Anfrage beim Verfassungsschutz überprüft werden, hat Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) ihre ressortübergreifende Neuregelung erklärt. Es gehe um »Verfassungs- und Demokratiefeindlichkeit«, wurde Badenberg am Donnerstag von dpa zitiert.

Steuergelder dürften niemandem zugute kommen, der »nicht auf dem Boden des Grundgesetzes« stehe. Um das zu erreichen, solle Paragraph 23 der Landeshaushaltsordnung ergänzt werden. Zuwendungen würde es nur noch geben, falls die Empfänger »keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen« verfolgen oder unterstützen und »keine demokratiefeindlichen, antisemitischen, rassistischen oder sonstigen, menschenverachtenden Inhalte« verbreiten.

Zuvor hatte Kultursenator Joe Chialo (CDU) Ähnliches versucht. Ende Dezember wollte die Berliner Kulturverwaltung eine Klausel etablieren, die Empfänger von öffentlichen Fördergeldern zum Bekenntnis gegen Antisemitismus verpflichtet. Als Grundlage sollte die kritisierte Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) dienen. Im Januar wurden die Pläne wegen »rechtlicher Bedenken« und Protesten beerdigt.

Badenberg sagte, es gehe ihr nicht nur um Antisemitismus. Der Senat solle auch »keine rassistischen Gruppierungen, keine Rechtsextremen, keine Linksextremen und keine Islamisten« alimentieren. Der Koalition dürfte es tatsächlich vor allem darum gehen, einen Hebel gegen palästinasolidarische Personen und Gruppen zu haben, die von den Behörden als antisemitisch markiert werden. Dieselbe Stoßrichtung hatte bereits ein vielkritisierter Prüfauftrag im Bundesbildungsministerium von Bettina Stark-Watzinger (FDP). Als Reaktion auf Berliner Hochschullehrende, die sich für palästinasolidarische Demonstranten eingesetzt hatten, sollte geprüft werden, ob ihnen öffentliche Mittel entzogen werden können.

Nach Badenbergs Darstellung soll nicht jeder Antragsteller vom Verfassungsschutz überprüft werden. Eine entsprechende Anfrage wolle man nur stellen, wenn es Anhaltspunkte für »extremistische Bestrebungen« gibt. Es solle auch nur vorhandenes Wissen weitergegeben werden. »Wenn der Verfassungsschutz keine Erkenntnisse hat, dann hat er keine«, stapelte die Justizsenatorin tief. Sinnvoll wäre aus ihrer Sicht eine bundesweite Regelung, die über die Kulturbranche hinausgeht.

Ob Badenberg mit ihrem Vorstoß bei den anderen Bundesländern auf Zustimmung stößt, bleibt offen. Eine stichprobenartige Abfrage von dpa ergab, dass in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen jedenfalls keine ähnlichen Pläne verfolgt werden. Antragsteller für öffentliche Fördergelder im Kulturbetrieb in Niedersachsen werden bislang aber dazu aufgefordert, ihre Satzung vorzulegen. Bei Anhaltspunkten für »verfassungsfeindliches Verhalten« werde keine Förderung genehmigt. In Niedersachsen und Hessen gilt zusätzlich seit Mitte März eine Erklärung, Antisemitismus und Rassismus im »öffentlich geförderten Kulturbetrieb zu verhindern«.

Dass Badenberg die Erkenntnisse des Inlandsgeheimdienstes für vertrauenswürdig hält, liegt auf der Hand. Vor ihrem Wechsel in den »schwarz-roten« Berliner Senat war sie Vizepräsidentin des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Mittlerweile wird sie als Nachfolgerin von dessen Präsident Thomas Haldenwang gehandelt, der im kommenden Jahr in den Ruhestand geht, wie die Welt am Sonntag am 25. Mai kolportierte. Die in Teheran geborene Senatorin sei in ihrem jetzigen Amt nie so richtig angekommen, hieß es.

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