Grabstein hübsch hergerichtet
Von Kristian Stemmler![4.jpg](/img/450/196910.jpg)
Die Rollen im Schauspiel »Bundeshaushalt 2025« sind klar verteilt: SPD und Bündnis 90/Die Grünen drängeln, die FDP gibt den fiskalischen Bedenkenträger. Nun wird die Zeit knapp. Am Freitag verabschieden sich die Bundestagsabgeordneten in die Sommerpause. Für 7 Uhr früh haben sowohl die SPD-Fraktion als auch die der Grünen demonstrativ Sondersitzungen zum Thema Haushalt angesetzt. SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Katja Mast hatte bereits am Mittwoch die Erwartung formuliert, dass bis dahin eine Einigung vorliegt und »wir in die sitzungsfreie Zeit mit klaren Informationen gehen, wie der Haushalt aussieht«.
Ob den Abgeordneten von SPD und Grünen am Freitag eine Einigung zum Etat 2025 präsentiert werden kann, war am Donnerstag offiziell weiter offen. Denn dazu müssten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), die seit Wochen in vertraulichen Runden zum Thema beraten, sich einigen. Das Trio wollte sich am Donnerstag wieder zusammensetzen, die Gespräche sollten notfalls bis tief in die Nacht gehen. Einen Termin in Potsdam sagte Scholz am Donnerstag kurzfristig ab. Alle Teilnehmer dieser Inszenierung haben ein gemeinsames politisches Interesse: Sie müssen das Resultat anschließend als »Kompromiss«, um den »hart gerungen« wurde, verkaufen.
Beim Haushalt gehe »Gründlichkeit und ein gutes Ergebnis« vor, denn am Ende müsse »das Gesamtpaket stimmen«, erklärte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Fraktionsvize Christoph Meyer sagte im Deutschlandfunk: »Wenn es länger dauert, dauert es länger.« Es reiche, wenn im Juli eine Einigung vorliege. Auch Lindner dämpfte die Erwartung, es könne jetzt schnell gehen. »Wir müssen sorgfältig beraten. Es geht um die Stabilität unserer Staatsfinanzen in einer unruhigen Weltlage«, sagte er am Donnerstag.
Von der Seitenlinie meldete sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Mathias Middelberg mit »Sparvorschlägen« zu Wort. Dem Handelsblatt nannte er das sogenannte Startchancenprogramm, mit dem Schulen in sogenannten sozialen Brennpunkten unterstützt werden sollen. Das könne man streichen. Ebenfalls streichen will der CDU-Mann das Programm »Demokratie leben« des Bundesfamilienministeriums. Und die »größte Sparposition« sei »das Bürgergeld«.
Ursprünglich sollte der Haushaltsentwurf fürs kommende Jahr bereits am Mittwoch dieser Woche vorliegen, mittlerweile ist der 17. Juli für den Kabinettsbeschluss im Gespräch. Um diesen Termin halten zu können, ist aber eine Grundsatzeinigung in den nächsten Tagen nötig, weil die Ausarbeitung des Haushaltsgesetzes in der Regel noch rund zehn Tage dauert. Scholz hatte sich am Mittwoch im Bundestag optimistisch gezeigt, dass das Kabinett bis Ende des Monats einen Haushaltsplan beschließen werde. Der Bundestag berate über den Haushalt typischerweise nach der Sommerpause bis zum Jahresende. Wirtschaftsminister Robert Habeck rief die Ampelpartner zur Kompromissbereitschaft auf. »Wir müssen das Ding jetzt festnageln«, sagte er.
Die Einzeletats sind weitgehend ausgehandelt, heißt es. Nicht abgehakt ist aber offenbar noch der Sozialetat. Die SPD hat nach außen hin immer wieder deutlich gemacht, dass sie keine Kürzungen in diesem Bereich will. Zur Debatte stehen auch mögliche Kürzungen im Klima- und Transformationsfonds. Aus dem finanziert die Bundesregierung Projekte für mehr Klimaschutz.
Einen inzwischen kultivierten Dissens gibt es im Hinblick auf die einst einträchtig beschlossene neoliberale Schuldenbremse: SPD und Grüne wollen diese erneut aussetzen, um mehr Spielraum für Investitionen zu haben. Die FDP und Lindner werfen sich dagegen zu Hütern der Schuldenbremse auf. Diese müsse eingehalten werden, »denn sie ist verfassungsrechtlich geboten und eine Frage der Generationengerechtigkeit«, erklärte Djir-Sarai gegenüber dpa.
In einem Protestbrief fordern derweil die Jugendverbände von SPD und Grünen die Abschaffung der Schuldenbremse. Zusammen mit anderen Verbänden – etwa der DGB-Jugend und der Klimaschutzgruppe »Fridays for Future« – sprechen sie sich dafür aus, »die Schuldenbremse auszusetzen und sie perspektivisch abzuschaffen«. Die Schuldenbremse dürfe nicht zum »Grabstein unserer Zukunft« werden, heißt es in dem Text.
Gesine Lötzsch, haushaltspolitische Sprecherin der Linke-Gruppe im Bundestag, erklärte am Donnerstag, der ganze Denkansatz der Ampel sei falsch. Sie mache »Deutschland zum Museum der Welt. Hier können Touristen erleben, wie Züge der Bahn ausfallen, Straßen und Brücken sich in einem desolaten Zustand befinden. Wir brauchen jetzt keinen Sparhaushalt, sondern einen Investitionshaushalt«.
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