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Aus: Ausgabe vom 06.07.2024, Seite 5 / Inland
Meyer-Werft

Stellenstreichungen trotz voller Bücher

Meyer-Werft in Papenburg steigt ins Offshore-Geschäft ein. Finanzierungslücke dennoch groß
Von Susanne Knütter
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Die Meyer-Werft ist »im Grunde ein gesundes Unternehmen. Die Auftragsbücher sind voll, die Kreuzfahrtbranche wird weiter ansteigen«, wie Dominik Lauck von der IG Metall im Bezirk Küste am Freitag im Gespräch mit jW erläuterte. Trotzdem soll das Unternehmen saniert werden. Das heißt, 340 Arbeitsplätze in Papenburg fallen weg. Als erstes werden 100 befristete Verträge nach Auslaufen nicht verlängert. Danach setzt man auf Freiwilligkeit. Reicht das nicht aus, folgen ab April 2025 betriebsbedingte Kündigungen in der Meyer-Werft, dem Rohrzentrum und Ems Maritime Services.

Darauf hatten sich IG Metall und Geschäftsführung am Mittwoch geeinigt. Festgehalten wurde in den Sanierungseckpunkten außerdem eine Belegschaftsstärke von mindestens 3.100 Beschäftigten bis 2030. Davon sollen mindestens 1.200 Arbeiter in der Fertigung Tarifbeschäftigte sein. Die anderen wären dann Werkvertragler, erklärte Lauck und verglich das mit der Automobilindustrie, in der insbesondere der Fahrzeuginnenausbau in der Regel mittlerweile von Externen übernommen werde.

Dass die Meyer-Werft seit Donnerstag im Offshore-Geschäft mitmischt, sei in den Sanierungsplan demnach bereits eingepreist. Schließlich hatte das Unternehmen den Zuschlag für den Großteil der Stahlbauarbeiten für vier Amprion-Konverterplattformen bereits vergangenen November erhalten. Die vier Offshore-Netzanbindungssysteme Dolwin4 und Borwin4 sowie Balwin1 und Balwin2 sollen künftig Windparks in der Nordsee mit dem Übertragungsnetz an Land verbinden.

Das akute Problem der Meyer-Werft sei die Finanzierungslücke von 2,77 Milliarden Euro. Für 2,4 Milliarden Euro gäbe es Bürgschaften, die restlichen rund 400 Millionen seien ungedeckt, erklärte IG-Metall-Pressesprecher Lauck. Bei den Aufträgen, die bis 2028 bereits in den Büchern stehen, seien auch alte Verträge dabei, die vor Corona abgeschlossen worden waren. Aufgrund der Kostenexplosion der zurückliegenden Jahre würden die sich nicht mehr rentieren. Um den Verlust möglichst gering zu halten, sollen künftig also weniger Arbeiter die Aufträge abarbeiten.

Dabei hatten die Beschäftigten bereits einiges an Verlusten hinnehmen müssen. 2022 haben sie »pro Person 250 Stunden Mehrarbeit geleistet, und die Werft hat so 60 Millionen Euro gespart«, wie Linke-Politikerin Franziska Junker am Donnerstag in Erinnerung rief. Außerdem habe die öffentliche Hand seit Jahren etwa mit Emssperrwerk und Emsvertiefung Millionen für die Meyer-Werft investiert, erklärte die Landesvorsitzende ihrer Partei in Niedersachsen und resümierte: »Da kann man ja wohl erwarten, dass die Werft wenigstens Arbeitsplätze sichert.« Junker betonte, dass »alle Fachkräfte auf der Meyer-Werft benötigt werden, um aktuelle und zukünftige Projekte erfolgreich umzusetzen«. Für die Beschäftigungsgarantie forderte sie die Unterstützung von Land und Bund.

Das Land Niedersachsen hatte bereits 2023 eine Bürgschaft über 300 Millionen Euro übernommen, hatte zuletzt weitere Hilfe angekündigt, diese aber an Bedingungen geknüpft. Erstens sollte das Unternehmen seinen Firmensitz aus Luxemburg nach Deutschland verlegen. Zweitens solle der Bund helfen. Der ersten Forderung will der Konzern nach langem Wehren nun nachkommen. Die Verlegung des Konzernsitzes ist auch die Voraussetzung für die Einrichtung eines Aufsichtsrates.

Auch einen Konzernbetriebsrat soll es laut den Sanierungseckpunkten künftig geben. Aus Sicht der IG Metall werde die Mitbestimmung dadurch erheblich gestärkt. Wie der Bund sich in der Meyer-Krise verhält, an der mindestens 10.000 Arbeitsplätze allein in der Region Papenburg hängen, ist noch offen. Der hatte vom Unternehmen ein Gutachten angefordert, in dem es schildert, ob und wie es aus der Schieflage kommen kann. Das soll Mitte des Monats vorliegen.

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