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Aus: Ausgabe vom 20.07.2024, Seite 2 / Inland
Berliner Landesbibliothek

»Fast keines der Gebäude ist dafür geplant worden«

Berlin: Zentral- und Landesbibliothek wirbt nach jüngster Havarie für Umzug in freiwerdendes Kaufhausobjekt. Ein Gespräch mit Jonas Fansa
Interview: Marc Bebenroth
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Mit allen Mitteln versuchen die Beschäftigten, das eingedrungene Wasser zu beseitigen (Berlin, 10.7.2024)

Tagelang kämpften Beschäftigte der Zentral- und Landesbibliothek Berlin, ZLB, gegen die Folgen eines Wasserrohrbruchs. Betroffen war ein Kellerraum mit zahlreichen alten Büchern. Ist mittlerweile alles in trockenen Tüchern?

Im großen und ganzen schon. Wir hatten am Mittwoch vergangener Woche diesen Wassereinbruch und den ganzen Tag gebraucht, um die Wassermassen aus dem Gebäude zu bekommen. Es war ein 1.000 Quadratmeter großes Magazin betroffen, mit hunderttausenden Medien, vor allem Bücher, aber auch Schallplatten. Wir haben Wasser geschippt, gesaugt, mit Lappen aufgenommen und teilweise in die Spree ausgeleitet, teils in den Hof gekippt. Mit vereinten Kräften von 60 Menschen aus dem Hause und auch mit Unterstützung der Feuerwehr konnten wir nach Stunden das Wasser aus den Räumen bringen.

Wie groß ist der Schaden?

Ungefähr 800 feuchte Bücher und etwa 70 nasse Bände, wo schon richtig Wasser ins Papier eingedrungen war, sowie etwa 500 Schallplatten. Die nassen Bücher mussten wir zum Bundesarchiv in die Gefrierbehandlung schicken. Entfeuchter und Ventilatoren trockneten die Raumluft. Die 70 anfangs komplett durchnässten Bücher, die sich weiterhin im Bundesarchiv befinden, gehen in den kommenden Wochen zurück an ihren Platz. Das geborstene Rohr konnte repariert werden.

Wie kann Starkregen so etwas anrichten?

Der betroffene Magazinraum wurde ursprünglich als Pferdestall und Kutschenstallung genutzt. Gerade im Standort »Berliner Stadtbibliothek« ist fast keines der Gebäude für eine Bibliotheksnutzung geplant und gebaut worden.

War das Rohr als Schwachstelle bekannt?

Diese Stelle hatten wir nicht auf dem Schirm. Wir kennen die Gebäude schon sehr lange, kennen auch viele Schwachstellen. Aber es ist ungemein aufwendig, diese alten Gebäude zu pflegen und an bestimmten Stellen auf den Stand der Technik zu bringen. So gibt es eine Menge Gebäudetechnik, die man in einen Magazinraum zum Beispiel niemals einbauen würde.

Ein Neubau war lange Zeit im Gespräch. Warum kam es nie dazu?

In den 80er Jahren gab es Pläne, den ZLB-Standort »Amerika-Gedenkbibliothek« zu erweitern. Die sind später gestoppt worden, weil sich aufgrund der Wiedervereinigung die politischen Prioritäten änderten. Als wir uns in den 90er Jahren dafür einsetzten, den Palast der Republik als zentralen Bibliotheksstandort zu erhalten, setzte sich bekanntlich die Idee durch, dort ein Schloss zu bauen. 2014 waren wir kurz davor, eine neue Zentral­bibliothek auf dem Tempelhofer Feld zu realisieren. Und Pläne des Senats ab 2018 für eine Erweiterung der Amerika-Gedenkbibliothek zum Zentralstandort sind politisch nicht weiter verfolgt worden.

Die ZLB setzt sich dafür ein, das demnächst freiwerdende Galeries-Lafayette-Gebäude in der Friedrichstraße als Zentralstandort nutzen zu können – und spricht von einer Jahrhundertchance.

Der Kaufhaustrakt macht nur einen vergleichsweise kleinen Teil des Gebäudekomplexes »Quartier 207« aus. Er hat vier Untergeschosse, ein Erdgeschoss und sieben Obergeschosse. Als wir gehört haben, dass »Q207« 35.000 Quadratmeter Gesamtfläche hat, fragten wir den Investor, ob nicht eine Gesamteinpassung möglich wäre. Eine planerische Untersuchung ergab, dass man sehr viele Flächen für Magazine technisch so umrüsten kann, wie das heute üblich ist.

Welche Vorteile würden sich Nutzerinnen und Nutzern bieten?

Das Gebäude hat überall Glasfassade. Die potentiellen Publikumsbereiche könnte man sehr gut zuschneiden, um die verschiedenen Bedürfnisse und Bedarfe abzugrenzen. Wir hätten mit den Obergeschossen genügend Fläche, um unsere geplanten etwa 21.000 Quadratmeter Publikumsfläche zu realisieren. In unseren Gebäuden macht diese von insgesamt etwa 38.000 Quadratmetern nur rund 8.000 aus. Letztlich ist es auch etwas absurd, eine Zentralbibliothek zu haben, die auf zwei Standorte aufgeteilt ist.

Was steht dem Umzug im Weg?

In Anbetracht der sich verdüsternden Haushaltsaussichten für die kommenden Jahre agiert die Politik zurückhaltend. Doch würden wir unsere Gebäude auf den Stand der Technik bringen, also komplett sanieren, kämen wir vermutlich auch auf eine Summe von 500 bis 600 Millionen Euro.

Jonas Fansa ist Betriebsdirektor und stellvertretender Vorstand der Zentral- und Landes­bibliothek Berlin (ZLB)

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