75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Sa. / So., 07. / 8. September 2024, Nr. 209
Die junge Welt wird von 2927 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €

Walküre kommt nicht

Von Pierre Deason-Tomory
14_radio.jpg
Wenn die Polizei tötet: Plakat mit dem Porträt des erschossenen 16jährigen Senegalesen Mouhamed Dramé (Demo in Dortmund, 19.12.2023)

Kaum zu ersetzender Abgang aus dem Kader der Bayreuther Festspiele: Erstmals seit 1991 muss die Wagner-Champagner-League auf dem Protzhügel ohne Angela Merkel ausgespielt werden, über die Ablösesumme ist nichts bekannt. Als Einspringer hat sich Bodo Ramelow angeboten, der dringend davon ablenken muss, dass er von mehreren Personen dabei beobachtet wurde, wie er am Baggersee Ketchup auf seine Bratwurst patzte. Die Denunzianten wurden in das Zeugenschussprogramm aufgenommen. Björn Höcke, ein weiterer Rucksackthüringer mit Weltmachtambitionen, forderte Ramelows Rücktritt und wiederholte dabei seinen Lieblingsrülpser: »Alles für Bratwurst!« Auch die Eingeborene Sahra Wagenknecht kann nur mit dem Kopf schütteln, sie nimmt immer Senf. Beim Austernschlürfen.

Anders als gerne behauptet ist Wagenknecht nicht näher mit Wagner verwandt, womit wir gekonnt auf die Programmhinweise für die Großfestivalwoche übergeleitet hätten. Für dreimal Bayreuther und zweimal Salzburger Festspiele haben wir Tickets: Zunächst gibt es live die neuerliche Neuinszenierung von »Tristan und Isolde« mit Andreas Schager als Tim und Camilla Nylund als Struppi (Do., 16 Uhr, auf fast allen ARD-Kulturwellen). Dann zeitversetzt live und ebenfalls länderkulturradioweit  »Das Rheingold« (So., 20 Uhr) und  »Die Walküre« (Mo., 20 Uhr), wie bereits erwähnt heuer ohne Angela. Vielleicht hört diese bei den Salzburger Festspielen  »Capriccio« von Richard Strauss mit den Wiener Philharmonikern (live, Fr., 19 Uhr, Ö 1, 20 Uhr, ARD-Kulturwellen) oder deren »Matinee« mit dem »Schicksalslied« von Brahms und dem »Lobgesang« von Bartholdy (live, So., 11.03 Uhr, Ö 1).

Sonst im Radio, nur ohne Noten: In der Reihe »Tischgespräch« hat  »Marcel Reif im Gespräch mit Thilo Jahn« mehr zu sagen als »Noch nie hätte ein Tor einem Spiel so gutgetan wie heute«, zum Beispiel »Sej a Mensch!« (Mi., 20.04 Uhr, So., 6.04 Uhr, WDR 5). Etwas völlig anderes verlangt das »Prinzip Held*«, das Wissenschaftler der Uni Freiburg zwölf Jahre erforscht und Helgard Haug und Daniel Wetzel von Rimini Protokoll als heroisches Hörspiel inszeniert haben (DLF Kultur 2024, Ursendung, Mi., 22.03 Uhr). Noch deeper: Stefan Suske liest aus Albert Camus’ »Der Mythos des Sisyphos« (Fr., 11.05 Uhr, Ö 1). Vor vierzig Jahren erschien der Musikfilm »Beat Street« in den USA, ein Jahr darauf in der DDR, wo er einen »Tsunami der HipHop-Kultur« auslöste, erinnert sich Lutz Neumann in seinem Feature »Elbtal-Bronx: Breaken, Platten und Graffiti« (MDR 2024, Ursendung, Sa., 9.04 Uhr, MDR Kultur).

Weil wir »Mittsommerferien« haben, müssen in »Contra« u. a. folgende Lauser*innen vor an die Tafel, ihr schönstes Ferienerlebnis aufsagen: Matthias Egersdörfer, die Lotterbuben, Rainald Grebe, Josef Hader und Dota Kehr (Sa., 19.05 Uhr, Ö 1). Ein erstaunliches Alltagserlebnis erlebt ein Herr Schneider im Hörspiel »Ein Tag wie sonst. Ich begegne meiner Frau« von Heinrich Böll (SRF 1955, Sa., 20 Uhr, SRF 2 Kultur). In acht Folgen wird ab Sonntag der Fall des 16jährigen Mouhamed Dramé erzählt: »Wenn die Polizei tötet«; das ist leider eine Doku, kein Hörspiel (So., 14.04 Uhr, WDR 5). Das Feature »Vorname Jonas« über einen 20jährigen, der ein Jahr in der DDR im Knast war, hat Thomas Heise 1983 angefangen, dann verzögerte sich die Fertigstellung etwas (Berliner Rundfunk 1983/1989, So., 14.04 Uhr, SWR Kultur). Schließlich liest Jürgen Holtz ab Montag 15 Folgen lang Joseph Conrads Bombenlegerroman »Der Geheimagent« (MDR 2004, Mo., 9.04 Uhr, MDR Kultur).

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Mehr aus: Feuilleton