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Aus: Ausgabe vom 31.07.2024, Seite 8 / Ansichten

Déjà-vu

Nach der Wahl in Venezuela
Von Santiago Baez
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Stimmabgabe bei der Präsidentschaftswahl in Venezuela am Sonntag

Es ist wie ein Déjà-vu: Venezuela hat gewählt, die rechte Opposition schreit »Betrug«, Washington, die EU und rechte Regierungen der Region verweigern dem Wahlsieger die Anerkennung, auf den Straßen des südamerikanischen Landes brennen Barrikaden.

Es war wohl kaum zu erwarten, dass eine Oppositionsführerin wie Maria Corina Machado, die in der Vergangenheit zu den größten Scharfmachern unter den Regierungsgegnern gehört hatte, eine Niederlage akzeptieren würde. Und die im Vorfeld der Wahlen erfolgte Verbreitung von Umfragen, die dem Rechtskandidaten Edmundo González Urrutia einen haushohen Sieg vorhersagten – während andere Prognosen verschwiegen wurden – sorgte dafür, dass die Erwartungen der Oppositionsanhänger hoch waren. Die Proteste jetzt sind deshalb so etwas wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Guckt man sich die Bedingungen in Venezuela genauer an, ist es durchaus möglich, dass Maduro tatsächlich noch einmal eine Mehrheit auf sich vereinen konnte. Millionen Menschen arbeiten in Venezuelas öffentlichem Dienst und Staatsbetrieben, ein Regierungswechsel könnte sie den Arbeitsplatz kosten. Zudem gab es keine progressive Alternative zu Maduro auf dem Stimmzettel – dafür hatten politische und juristische Manöver im Vorfeld gesorgt, etwa die Absetzung der von den Mitgliedern gewählten Führungen mehrerer Linksparteien durch den Obersten Gerichtshof. Vor diesem Hintergrund gaben viele offenbar doch, wenn auch zähneknirschend, ihre Stimme für Maduro ab. Ob es wirklich 51 Prozent waren, muss der Nationale Wahlrat (CNE) durch die Publikation aller Resultate nachweisen.

Das venezolanische Wahlsystem macht Manipulationen nur schwer möglich, die Kombination aus elektronischer Stimmabgabe mit Kontrollausdruck, der dann in die Urne geworfen und parallel ausgezählt wird, sorgt für Transparenz. Voraussetzung dafür ist aber, die Ergebnisse vollständig zu veröffentlichen. Bisher liegt nur ein offizielles Zwischenergebnis vor, das einen Auszählungsstand von 80 Prozent abbildet. Es ist zumindest merkwürdig, einen Wahlsieger zu proklamieren, bevor das Endergebnis vorliegt, wie es der CNE am Montag getan hat. Und die noch am Sonntag vom CNE »in den nächsten Stunden« angekündigte Veröffentlichung der Einzelergebnisse aus allen Wahllokalen ist bislang ebenfalls nicht erfolgt.

Wenn aber der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell unter Berufung auf »inländische und internationale Beobachter« davon spricht, dass die Wahlen »von zahlreichen Mängeln und Unregelmäßigkeiten« überschattet worden seien, gießt das nur Öl ins Feuer. Zumal er sich fragen lassen muss, wer denn diese »Beobachter« sind – hatten die EU und diverse Regierungen nicht immer wieder kritisiert, dass es keine internationalen Wahlbeobachter gegeben habe? Das war zwar schon vorher falsch, macht die Attacken auf Venezuela aus Brüssel aber nicht glaubwürdiger.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Otmar H. aus panama (31. Juli 2024 um 01:58 Uhr)
    Maduro hat die Wahl klar haushoch verloren. Ich lebe seit 30 Jahren in einem Nachbarland Venezuelas, kenne sehr viele venezolanische Flüchtlinge (insgesamt sind es 8 Millionen). Ich kenne keinen der Maduro unterstützt. In Venezuela selbst sieht es nicht anders aus. Egal wie man zu den Oppsitionskandiaten steht, (mein Geschmack sind die absolut nicht), sollte als Linker und Demokrat doch so ehrlich sein und das offensichtliche nicht einfach negieren. Die Opposition hat gewonnen, weil die Leute Maduro einfach satt haben. Bis zum Rand und zur Verzweiflung satt haben. Als Linke sollten wir genau hinsehen, wen wir unterstützen. Der Feind meines Feindes ist noch lange nicht mein Freund oder Genosse. Maduro und seine Regierung sind ein korrupter, autoritärer militaristischer Klüngel, der Venezuela in die tiefste Krise seiner Geschichte geführt hat. Sanktionen der Yankees halten als Ausrede nicht her, das totale Desaster ist hausgemacht. Nicht jeder, der linke Phrasen absondert, ist ein Linker. Maduro ist ganz gewiss keiner.

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