Wahlkampf liegt in der Luft
Von Mawuena Martens, WienFröhliche Stimmung bis spät in die Nacht, ein buntes Sammelsurium an Jungen, Alten und Linken aller Strömungen: Am Wochenende hat das Volksstimme-Fest wieder Tausende Menschen in das Wiener Naherholungsgebiet Prater gelockt. Seit 1946 gibt es das Fest schon, ursprünglich als Pressefest der kommunistischen Volksstimme, die damals noch als Tageszeitung erschien, heute wird es von einer Kommission organisiert, die der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) nahesteht.
»Seit vier Jahren merken wir, dass es immer mehr Stände gibt«, erzählt Nina Aigner von der Festorganisation, als sie über den staubigen Weg des Geländes führt. Was dieses Jahr anders ist? Ganz eindeutig der Wahlkampf. Tatsächlich fallen auf den ersten Blick die vielen KPÖ-Fahnen, unzähligen Wahlplakate und zahlreichen Stände der Partei auf.
Ende September finden in Österreich Nationalratswahlen statt. Laut jüngsten Umfragen der Austria Presse Agentur (APA) liegt der Rechtsausleger FPÖ, die sogenannte Freiheitliche Partei Österreichs, mit 27 Prozent klar vorn, gefolgt von der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) mit rund 24 Prozent. Die Sorge vor einem unausweichlich scheinenden Wahlsieg der Rechten und einer anschließenden »blau-schwarzen« Koalition aus FPÖ und ÖVP wird in Gesprächen deutlich. Dennoch klammern sich viele an die Hoffnung, dass es die KPÖ vielleicht doch ins Parlament schafft. Während APA den Kommunisten 2,3 Prozent bescheinigt, spricht ihr Spitzenkandidat Tobias Schweiger im jW-Gespräch von einem ungewissen Ausgang.
Die »Schicksalsfrage« sei jedoch nicht der Einzug in den Nationalrat, sondern ob man mehr Menschen aus der Politikverdrossenheit holen und für sich gewinnen könne. Dafür setze man auf die drei sozialpolitischen Themen Wohnen, Energie und Teuerung. Bei einem Einzug in die Abgeordnetenkammer und entsprechenden Mehrheitsverhältnissen würde seine Partei einen österreichweiten Mietenstopp und eine Energiegrundsicherung einführen, ebenso Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung, so der Ex-Grüne. Er muss beinahe gegen die Geräuschkulisse anschreien, an Nebenständen brutzeln Würstchen, Musik tönt aus verschiedenen Richtungen, ein paarmal wird er von Bekannten unterbrochen.
Dass heikle außenpolitische Themen wie der Gazakrieg von der Parteispitze anscheinend lieber ausgespart oder ausgeklammert werden, zeigt ein kleines Festzelt mit Palästinaflagge und Informationen zum Nahostkonflikt sowie dem aktuellen Völkermord in Gaza ein paar Schritte weiter. Auf zwei Hinweisschildern steht geschrieben: »Die Materialien und Ansichten entsprechen nicht zwangsweise den Standpunkten der Gesamtpartei.« Auch die Betreuer des Standes – beide Parteimitglieder –, betonen, dass ein Interview nicht möglich sei und geben zu verstehen, dass es überhaupt schon schwierig war, das Zelt aufstellen zu dürfen. Dennoch heißt es von ihrer Seite: »Wir sind hier, um einen Diskussionsprozess anzustoßen.«
Ähnlich äußert sich ein junger Aktivist am Eingang des Geländes. Er trotzt der Mittagshitze bei über 30 Grad Celsius ohne kühlende Brise und verteilt die Zeitschrift Der Funke, aber eben auch ein Flugblatt mit Informationen zur Neugründung der RKP, der Revolutionären Kommunistischen Partei. Diese solle erst nach den Wahlen erfolgen. Noch unterstütze man weiter die KPÖ. Doch sollte diese enttäuschen – es fallen Sätze darüber, dass die Partei junge Mitglieder von palästinasolidarischem Aktivismus abhalten wolle –, denke man über einen eigenen Antritt nach.
Gegen Abend drängen noch mehr Besucher in den Park. Der Geruch von allerlei Speisen, vom klassischen Brathendl über paraguayische Steaks und türkische Gözleme bis hin zu nigerianischen Eintöpfen, lockt an die Stände. Auch musikalisch und kulinarisch ist für jeden etwas dabei: Bands spielen Salsa, Weltmusik, Arbeiterlieder, Jazz, Punk oder Postpunk. Wer die Ruhe hat, lauscht Diskussionsrunden, informiert sich bei Trotzkisten, Sozialisten und Antifaschisten und solchen, die solidarisch auf Kämpfe in verschiedenen Teilen der Welt aufmerksam machen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (2. September 2024 um 09:03 Uhr)Die Rechten, auch in Österreich, auf dem Vormarsch. Während in der BRD so getan wird, als könne man die rechte AfD boykottieren und damit den Wählerwillen mit antidemokratischen Mitteln ignorieren, besteht dieses Problem in Österreich offenbar nicht. Dort ist die Rechtsaußenpartei FPÖ im Politikzirkus angekommen. Da gibt es auch keine Berührungsängste durch deutsche Politgranden, die scheinbar nur deshalb mit der AfD ein Problem haben, weil die, im Gegensatz zu dem österreichischen Ableger FPÖ eine abweichende Haltung zu aktuellen Themen, wie Ukraine-Krieg und EU, hat.
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