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Aus: Ausgabe vom 05.09.2024, Seite 2 / Ausland
Ukraine

Köpferollen in Kiew

Ukraine: Präsident veranlasst halbes Kabinett zum Rücktritt
Von Reinhard Lauterbach
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Ukraines Präsident Selenskij mit Außenminister Kuleba bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York (20.9.2023)

In der Ukraine haben insgesamt sieben Minister seit Dienstag abend ihren Rücktritt eingereicht. Der im Ausland bekannteste von ihnen ist Außenminister Dmitro Kuleba. Ihre Ämter stellten aber auch der Justizminister Denis Maljuska, der Minister für das Staatsvermögen und strategische Industrien, Olexander Kamischin, die Ministerin für euroatlantische Integration, Olga Stefanischina, und die Ministerin für die Reintegration der besetzten Territorien, Irina Weresch­tschuk, zur Verfügung. Im letzteren Fall kann man informell davon ausgehen, dass das Ministerium angesichts des russischen Vormarsches ohnehin nichts mehr zu »reintegrieren« hat. Präsident Wolodimir Selenskij hatte die Entlassungswelle angekündigt, um »die Ukraine vor dem Winter zu stärken«. Die Nachfolger der entlassenen Minister sollen noch in dieser Woche ernannt werden.

Allerdings sollen die Zurückgetretenen nach Informationen ukrainischer Medien ihre Karrieren in anderen Ämtern fortsetzen. So soll die Westintegrationsministerin Olga Stefanischina gute Chancen haben, den Justizminister zu beerben, und dies, obwohl gegen sie ein Korruptionsverfahren wegen des Verdachts der Unterschlagung von EU-Projektgeldern anhängig ist. Im Falle des Ministers für das Staatsvermögen, Kamischin, soll der Rücktritt auf Druck der westlichen Geldgeber erfolgt sein.

Unterdessen gab es neue russische Raketen- und Drohnenangriffe auf ­ukrainische Städte. Dabei kamen im westukrainischen Lwiw sieben Menschen ums Leben, darunter mindestens zwei Kinder. Russland erklärte, der Angriff auf die Umgebung des Hauptbahnhofs von Lwiw habe »militärindustriellen Objekten« gegolten. In Poltawa, wo am Dienstag einer der folgenreichsten Angriffe seit Kriegsbeginn die Militärhochschule für Fernmeldewesen getroffen und weitgehend zerstört hat, ist die Zahl der Todesopfer inzwischen auf 52 gestiegen, rund 280 Soldaten seien verletzt worden. Die Leitung der Hochschule verteidigte sich gegen den Vorwurf, die Studierenden nicht in die Schutzräume geschickt zu haben, mit dem Argument, die Vorwarnzeit sei dafür zu kurz gewesen. Dies wiederum unterstellt ein weitgehendes Versagen der ukrainischen Luftabwehr und der Frühwarnsysteme.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (4. September 2024 um 21:51 Uhr)
    Zitat: »Präsident Wolodimir Selenskij hatte die Entlassungswelle angekündigt, um ›die Ukraine vor dem Winter zu stärken‹.« Es mag zwar die Aufgabe eines Schauspielers sein, seine Rolle nach Drehbuch zu spielen, doch hier stellt sich die Frage, wer das Drehbuch für den ukrainischen Präsidenten schreibt – und wie lange noch. Selenskij, der einst mit dem Versprechen von Frieden im Jahr 2019 gewählt wurde, steht nun vor der schwierigen Aufgabe, sein Land durch den bevorstehenden Winter zu führen. Angesichts der Tatsache, dass die Ukraine in den kommenden Monaten vor allem Strom und Heizwärme zum Überleben benötigen wird, erschließt sich der Zusammenhang zwischen den Ministerentlassungen und der Stärkung des Landes für den Winter nicht unmittelbar. Wo liegt also der tatsächliche Nutzen dieser Maßnahme? Es wirkt so, als solle hier nur der Eindruck von Handlungsfähigkeit erweckt werden zu beweisen.